6.4.2021 Tag 38 Naturnahe Waldbewirtschaftung nach der Q/D Strategie im Stadtwald Blieskastel

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Die Nacht ist frostig kalt, aber zumindest schneit es nicht mehr..

Nachdem ich den gestrigen Tag im Blog beschrieben habe, laufe ich erst gegen 8 los, zunächst weiter durch schöner Laubwälder mit einer uralten Buche am Weg. Später geht es auch durch offene Flächen mit blühenden Schlehen und Kirschen. 

Am Rathausplatz von Blieskastel treffe ich schließlich Georg Josef Wilhelm, der als Waldbaureferent seit über 20 Jahren die rheinland-pfälzische Forstwirtschaft entscheidend prägt und auch sehr stark in die Bewirtschaftung des 1900 Hektar großen Stadtwalds Blieskastel involviert ist. Zudem hat er ein Buch über die von ihm entwickelte Q/D Strategie geschrieben, das ich mit Begeisterung gelesen habe. 

Zunächst schauen wir uns ein Tälchen an, das bis Anfang der 60’ er Jahre noch als Streuobstwiese genutzt wurde. Danach begann die Sukzession zu einem von Hasel und Stieleichen geprägten Wald. Die Eichen sind teilweise bereits jetzt, nach 50-60 Jahren mächtige Exemplare mit riesigen Kronen und beeindruckenden Durchmessern. Ein schönes Beispiel dafür, wie schnell die Natur bei uns durch die Saat von Eichelhähern und Mäusen in kurzer Zeit wieder einen richtigen Wald herstellt. Auch die Rehe haben diese Entwicklung nicht aufgehalten, entgegen aller Prognosen, die normalerweise die Unmöglichkeit verkünden, Eichen ohne Wildschutz oder hohen Abschuss hochwachsen zu lassen…

Georg Josef Wilhelm plädiert sehr stark dafür, solche ungesteuerten Sukzessionen zuzulassen, und nicht durch irgendwelche Entbuschungsaktionen zur Kulturlandschaftserhaltung zu unterbrechen.

Dann schauen wir uns Waldbilder an, die durch die Anwendung der Q/D- Strategie entstanden sind. Der Kern dieses Konzepts ist, in die natürlichen Abläufe möglichst wenig einzugreifen und mit nur wenigen wertvollen Bäumen den Großteil der Erlöse zu erzielen. Dazu wird nur etwa alle 12-15 Meter ein Auslesebaum ausgewählt, dann aber konsequent in alle 4 Jahre wiederkehrenden Eingriffen seine Krone von einwachsenden Nachbarn frei gehalten. Auf diese Weise entstehen schon in vergleichsweise jungem Alter Bäume mit riesigen Kronen und Durchmessern. Im Rest des Bestands werden allenfalls die Naturverjüngung beschattende, unterständige Bäume gefällt, ansonsten passiert dort nichts. Neben der wirtschaftlichen Seite des Konzepts werden aber auch schon früh Biotopbäume markiert, die etwa 10 % des Holzvorrats ausmachen sollen. Daneben gibt es im Stadtwald Blieskastel etwa 100 ha die aus der Nutzung genommen wurden, sowie kleinere Waldrefugien und Vergleichsflächen, die ebenfalls nicht bewirtschaftet werden. Der Rückegassenabstand von 40 Metern wird nie unterschritten und ein guter Teil des Holzes von Pferden vorgeliefert. 

Mir erscheint die hier angewandte Q/D Strategie,die im Übrigen auch im Staatswald von Rheinland-Pfalz verbindlich ist, als wirtschaftlich attraktives Konzept zur Erzeugung von wertvollem Starkholz, dass aber auch die ökologischen Gesichtspunkte nicht vernachlässigt. 

Ein manchmal geäußerter Kritikpunkt ist, dass die freigestellten Auslesebäume anfälliger für Hitze und Dürreschäden sind. Georg Josef Wilhelm kann das nicht bestätigen und führt das darauf zurück, dass die Auslesebäume hier frühzeitig an den relativen Freistand gewöhnt werden. Daher sind hier nicht die typischen Schäden von stark aufgelichteten Altbeständen zu beobachten.

Fehlende Mischbaumarten wie Eiben oder Winterlinden werden gezielt eingebracht, erfolgen aber, wie jede Pflanzung, lediglich in punktförmigen Klumpen, die 15 % der Fläche nicht überschreiten. Auch hier ist also viel Raum für natürliche, spontane Entwicklungen. 

Wilhelm glaubt an die Anpassungsfähigkeit unserer heimischen Baumarten im Klimawandel und hält daher die Einbringung exotischer Baumarten für nicht notwendig und daher nur in sehr kleinem Maßstab für erprobenswert. Die Große Küstentanne hält er ebenso wie ich für invasiv…

Er sieht Wald als Ökosystem, dass man nicht einfach wie einzelne Bäume aus fremden Breiten hierher verpflanzen kann…

Blieskastel ist in gewisser Hinsicht auch ein Pionier, was die Baumart Birke angeht. Der Forstamtsleiter Schwalb, der ab 1952 hier arbeitete, entschied sich gegen die damalige Lehrmeinung bewusst mit der Birke zu arbeiten. Dazu liess er Qualität versprechende Exemplare freistellen und asten. Interessanterweise legte er aber auch kleine Referenzflächen an, die komplett unbewirtschaftet blieben. Die stärksten Exemplare weisen hier heute einen Durchmesser von etwa 30 Zentimeter auf, gegenüber den 60 Zentimetern, bei den Bäumen, die gezielt gefördert wurden!

Inzwischen wurde schon Birkenholz für mehr als 100.000 Euro verkauft, gerne auch für den Saunabau. 

Der Blieskasteler Wald wirkt keineswegs naturfern und stammzahlarm, neben sehr dichten Bereichen sind vor allem die freigestellten Einzelbäume mit ihren riesigen Kronen sehr auffällig. Das von diesen immer wieder einige vorzeitig Schäden erleiden oder absterben, ist in dem Konzpt einkalkuliert, und nicht weiter schlimm, im Gegenteil, so entstehen frühzeitig starke Biotopbäume.

Der Vorrat soll 300 Kubikmeter nicht übersteigen, ist also viel niedriger als beispielsweise bei den nach dem Lübecker Modell bewirtschafteten Flächen in Quierschied. Dafür gibt es hier aber auch fast überall Jungbäume und der Wald hat mehrere Schichten. 

Obwohl die Blieskasteler Wälder fast vollständig alte Waldstandorte sind, und damit nach den saarländischen Richtlinien tabu sein sollten, wie mir Minister Jost gesagt hatte, scheint dass für den Kommunalwald leider nicht uneingeschränkt zu gelten. Es wäre wirklich schade, wenn diese naturnahen Waldinseln durch den Bau von 11 Windrädern stark beeinträchtigt würden!

Gegen 17 Uhr verabschieden wir uns und ich setze meinen Weg zunächst durch offene Landschaft fort, bis ich in einem Laubwald mein Tarp aufschlage. Dass gefällt einem Reh offenbar nicht, denn noch lange bellt es wie ein Schäferhund…


                                         Tolle Altbuche



Bliesgau

Blieskastel

Astreinigung durch Hasel

Georg Josef Wilhelm


In 60 Jahren von der Streuobstwiese zum Eichenwald

Konsequente Freistellung der Auslesebäume


  Nur punktartige Pflanzungen

Der Beginn der Birkenwirtschaft in Blieskastel

60 cm Durchmesser


  Große Kronen durch konsequente Freistellung

  Nur halb so starke Birken in unbehandelten Bereichen


Unter dem Schirm der Birken sind Buchen mitgemachten


Höhendifferenzierte Naturverjüngung

Aprilwetter



Blick zurück auf Blieskastel


   Später schneit es …



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