29.07.2021 Tag 141 Großflächiger Umbau von Fichtenreinbeständen zum Mischwald im Forstbezirk Eibenstock/ Erzgebirge

Teile mit anderen:

Nach einer trockenen Nacht sind wir bereits um 6 Uhr aufbruchfertig. Zunächst folgen wir Forstwegen, bis es an der tschechischen Grenze richtig abenteuerlich wird. Ein alter Saumweg ist durch die Jahrhunderte lange Nutzung mit Pferdewagen zu einem tiefen Hohlweg geworden, der stark mit Heidelbeeren und anderen Pflanzen zugewachsen ist. Wir passieren Moorgebiete mit Wollgras und Latschenkiefern und Nora kann das fantastische Morgenlicht für tolle Fotos nutzen.

An der neu vom Forstbezirk Eiibenstock errichteten Butterweghütte wartet bereits Manja Kraus vom MDR Radio Sachsen, die mich gleich interviewt. Danach stehe ich Natalie Scheffler vom Wochenendspiegel und Ralf Wendland, der für die Freie Presse und den Blick schreibt, ebenfalls für ein Gespräch zur Verfügung.

Schließlich erscheint Stephan Schusser, der seit 1983 hier tätig ist und seit langem den 25.000 ha großen Forstbezirk Eibenstock leitet. Der Forstbezirk hat den Medientermin organisiert und ist auch sonst offenbar sehr rührig, was die Öffentlichkeitsarbeit angeht. An vielen Stellen stehen sehr informative Tafeln und an zahlreichen Hütten und Bänken prangt das Sachsenforst Emblem. 

Nachdem die Medienleute sich verabschiedet haben, zeigt Herr Schusser uns etliche Waldbilder in seinem Forstbezirk.

Kaum irgendwo habe ich den Umbau von einförmigen, großflächigen Fichtenbeständen so eindrucksvoll gesehen! 

Während noch im 16. Jahrhundert hier Mischbestände aus Weißtannen, Buchen und Fichten zu etwa gleichen Teilen standen, dominiert seit langem die Fichte zu etwa 85 %. Der Buchenanteil ist auf 4 % gefallen und es sind lediglich 274 Alttannen übrig geblieben. Hinzu kommt, dass das Erzgebirge in weiten Teilen zur DDR-Zeit ein „Wildforschungsgebiet“ war, in dem extrem hohe Wildbestände vorkamen. Selbst die robuste Fichte konnte nur im Zaunschutz gepflanzt werden. Die Ausgangssituation für einen Waldumbau war daher 1991 extem ungünstig. Obwohl die Klimakrise damals erst in Ansätzen erkennbar war, stellte sich der Waldbau mit der Fichte schon immer als sehr anfälltig da. Ungefähr die Hälfte des gesamten Fichtenholzes fiel stets bei Kalamitäten von Windwürfen zu Borkenkäfern an, daher entschloss sich Schusser früh den Wald umzubauen, insbesondere nachdem er Bergmischwälder in Süddeutschland gesehen hatte. Also wurde die Herausforderung angegangen! Schon im ersten Jahr wurde die Rotwildpopulation stark dezimiert und die Fütterung komplett eingestellt. Auch die Rehwildbejagung wurde forciert. Anfangs wurde auch noch viel mit Zäunen und Einzelschutz gearbeitet, heute funktioniert das Einbringen der Mischbaumarten vollständig ohne Schutz vor Wildverbiss. Natürlich wurde das Rotwild nicht ausgerottet, aber zahlenmäßig stark reduziert. Außerdem wurde es durch den hohen Jagddruck regelrecht vergrämt und steht jetzt eher in benachbarten Bereichen, beispielsweise Tschechiens. Nach Ansicht Schussers ist die Jagd der Schlüsselfaktor für einen erfolgreichen Waldumbau. Außerdem ist es wichtig zu „Klotzen statt zu Kleckern“. So werden pro Jahr etwa 700.000 Pflanzen gesetzt. Zwei der 13 Staatswaldreviere sind bereits vollständig umgebaut, aber auch in den anderen Revieren gibt es große Fortschritte. Insgesamt wurden bisher jeweils auf etwa 2000 ha Buchen und Tannen gepflanzt. Wobei die Saat bei der Tanne bevorzugt wird, allerdings aufgrund der Steilheit des Geländes oft nicht möglich ist. Neben den Hauptbaumarten werden vor allem Bergahorne, aber auch Ulmen, Eiben und andere Baumrarten in kleineren Stückzahlen gepflanzt. Auf kleinen Tischen werden Eicheln ausgelegt, die dann von Eichelhähern als Pflanzhelfern quasi umsonst gesät werden. 

Insgesamt etwa 50 Millionen Euro wurden bisher für den Waldumbau investiert. Laut Schusser war es nie ein Problem, die erforderlichen Mittel zu erhalten. Tatsächlich scheint es so, als wolle Sachsenforst den Waldumbau entschlossen angehen, aber so weit wie in Eibenstock ist man noch fast nirgends. 

Die gesamte Bewirtschaftung in Eibenstock orientiert sich sehr stark an der ANW, (Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft). So sind auch hier nach Alter, Durchmesser und Höhen ungleichmäßige Bestände das Ziel. Allerdings geschieht das bei hohen Vorräten um die 400 Kubikmeter Holz pro Hektar, das sind 25 % mehr als der deutsche Durchschnitt, wenngleich dieser zur Förderung der Mischung und Senkung des Risikos etwas reduziert werden soll. 

Stephan Schusser hält es für sehr wichtig, die Befahrung der Waldböden zu reduzieren, daher gilt hier seit langem ein Rückegassenabstand von 40, statt der häufig üblichen 20 Meter. Mehrkosten hierdurch seien nicht feststellbar. 

Seit Neuem gilt dieser Abstand auch im gesamten Staatsforstbetrieb Sachsenforst!

Die Integration des Naturschutzes in den Wirtschaftsbetrieb ist hier deutlich feststelllbar, und nicht nur auf kleinen Alibiflächen, wie vielerorts üblich. Im Forstbezirkt gibt es etwa 1000 ha Moore, die durch Verschluss von Entwässerungsgräben und Entnahme der Fichten renaturiert werden. Leitart dazu ist das Birkhuhn, das sich offenbar aus Tschechien ausbreitet. Außerdem wird pro Jahr ein Kilometer Bach durch Fällung der Fichten und Pflanzung von Erlen natürlicher gemacht. Allein 2020 wurden 268 Tümpeln neu angelegt. Diese dienen als Biotop für Amphibien und zahlreiche weitere Arten, aber auch als eine Art Kühlanlage für benachbarte Waldbestände. 

Besonderer Wert wird auf die Biotopgestaltung entlang der Wege gelegt. Dort soll jedes Revier mindestens 1000 seltene Bäume und Sträucher entlang der Wege pflanzen und Randstreifen werden erst im Herbst gemulcht. 

Zur Totholzanreicherung werden häufig Fichten mit dem Harvester in einigen Metern Höhe abgeschnitten, so das Hochstubben entstehen. Außerdem wird kein Industrieholz mehr aufgearbeitet. Im Bestandesschatten hat sich das als untauglich für Borkenkäferbruten erwiesen. Neben dem Humusaufbau, bewirkt das Nichtaufarbeiten des Industrieholzes insgesamt günstigere Holzaufarbeitungspreise und bessere Holzerlöse. 

Im 18 Hektar großen Naturschutzgebiet Riedert mit alten Tannen, Fichten und Buchen, erhalten wir einen Eindruck davon, wie der ursprüngliche Erzgebirgswald aussah.

Wir bringen dann Nora zu ihrem Bus nach Eibenstock und Stefan Schusser gibt mir meine neuen Schuhe, die mein Freund Reimund Bender hierher geschickt hatte. 

Nachdem wir noch den Blick vom Auersberg gemeinsam genießen,setze ich schließlich nach dieser extrem interessanten und inspirierenden Exkusion meinen Weg alleine fort. 

Bald begegnet mir eine etwa 50 Zentimeter lange Kreuzotter, die sich wohl auf dem Weg gesonnt hat. 

Nachdem ich Johanngeorgenstadt passiert habe, steige ich wieder in den einsamen Wald auf, und schlage schließlich mein Cowboycamp in einem alten Fichtenbestand auf. 

Viele informative Tafeln
Moor
Abenteuerlicher Weg
Tolles Morgenlicht
Fingerhut
Medientermin
Verschluss von Entwässerungsgräben
Im Moor
Großflächiger Waldumbau mit Buche und Tanne
Stefan Schusser ist der Vater des Waldumbaus in Eibenstock
Eichelhähertisch
Tannensaat
Tannen und eine Hähereiche
Gestaltung von Waldinnenrändern
268 Tümpel in einem Jahr!
Hochstubben als Totholz
So sah der Erzgebirgswald einst aus…
Zunderschwämme
Naturschutzgebiet Riedert
Talsperre Eibenstock
Großflächiger Waldumbau
Pflugstreifen für Tannensaat
Gigantisch!
Blick vom Auersberg
Zeit für neue Schuhe
Kreuzotter
In ganz Sachsen gibt es nur noch 2000 alte Tannen
Bei Johanngeorgenstadt

Teile mit anderen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert