26.10.2021 Tag 223 Mit Heiner Wendt im Revier Lerbach

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Auch heute stehe ich wieder früh auf, um das gestern gesehene im Blog zu verarbeiten. Irgendwann frühstücke ich dann aber doch mit Heiner, der für heute Urlaub genommen hat, um mir den von ihm betreuten Wald zu zeigen. Heiner leitet das Revier Lerbach, mit 1300 Hektar Staatswald und 550 Hektar Forstgenossenschaftsfläche. Der Staatswald hatte bis die Borkenkäfermassenvermehrung 2018 begann, einen Anteil von etwa 60 % Fichte. Waren davon noch Anfang des Jahres etwa 150 Hektar halbwegs intakt, sind es mittlerweile nur noch etwa 5 Hektar…

Heiner ist seit langem Mitglied der ANW, (Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Waldwirtschaft), arbeitet aber selbstverständlich nach den Grundsätzen des bereits seit 1991 in Niedersachsen geltendem LÖWE- Programms zur ökologischen Walderneuerung im Staatswald. 

Der Staatswaldteil erstreckt sich von Osterode am Harzrand auf 250 Meter Höhe, bis auf 600 Meter bei Buntenbock. Bevor wir rausfahren, führe ich noch ein Telefoninterview mit Thomas Stillbauer, von der Frankfurter Rundschau, der bereits zu Anfang meiner Wanderung im Taunus, einen sehr lesenswerten Artikel über mein Projekt geschrieben hat. Auch heute sind seine Fragen gut durchdacht, und ich bin sicher, dass er auch dieses Interview hervorragend wiedergeben wird.

Schließlich fahren wir aber doch los, laden Schulpraktikant Oskar noch mit ein und fahren dann in den Wald. Heiner hält es für sehr sinnvoll, den Schirm der abgestorbenen Altfichten zu nutzen, wo immer es irgendwie geht. Als die Holzpreise bis Anfang des Jahres noch extrem niedrig waren, fiel es nicht besonders schwer, auf die Ernte eines Teils der abgestorbenen Fichten zu verzichten. Bei den wieder stark gestiegenen Preisen ist das natürlich schwerer, so dass stets eine sorgfältige Abwägung zwischen den zahlreichen ökologischen Vorteilen des stehenden Totholzes und dem entgangenen Erlös notwendig ist. Jedenfalls denke ich, dass dort, wo beispielsweise Buchen in der Nähe sind, und eine natürliche Ansamung in den abgestorbenen Flächen zu erwarten ist, die Vorteile des Belassens auch ökonomisch bei weitem den entgangenen Geldertrag überwiegen. 

Natürlich hat Heiner auch große Kahlflächen, die entstanden sind, als man noch gehofft hatte, den Vormarsch der Käfer durch rechtzeitigen Einschlag des befallenen Holzes aufhalten zu können. Meiner Meinung nach sind zwei Dinge in so einer Situation entscheidend wichtig: Zum Einen muss unbedingt vermieden werden, dass durch natürliche Ansamung wieder fast reine Fichtenbestände entstehen. Zum anderen sollte man „echte“ Mischbestände begründen, in denen die eine Baumart vom unterschiedlichen Wuchsverhalten, ökologischen Ansprüchen, Durchwurzelung u.s.w. der benachbarten Baumart profitieren kann, und im Falle eines kalamitätsbedingten Ausfalls, deren Platz übernimmt. Das funktioniert natürlich nur bei kleinflächiger Mischung und nicht wenn man die verschiedenen Baumarten hektarweise getrennt voneinander pflanzt. Allein schon aus Gründen der Pflanzenverfügbarkeit, der besseren genetischen Streuung von Naturverjüngung, des sparsamen Einsatzes vorhandener Mittel  und des Erlaubens von natürlichen Prozessen, sollte meiner Meinung nach das Zulassen der Sukzession breiten Raum einnehmen. Ebenso halte ich es für sehr sinnvoll, wo keine Pionierbäume wie Birken und Aspen in der Nähe sind, zunächst auf Teilflächen einen „Vorwald“ zu pflanzen, in dessen Schutz man dann auch empfindlichere Baumarten wie Buchen oder Weißtannen etablieren kann. Meiner Meinung nach sollten heimische, lichtbedürftige Laubbaumarten, wie die Traubeneiche,  die stabil und dürreresistent ist, zumindest in geringem Umfang auf jeder Fläche mit eingebracht werden. Dazu sind vielleicht auch die schon häufiger von mir erwähnten Hähertische  ein probates Mittel.  

Bevor man irgendwo pflanzt muss stets sorgfältig geprüft werden, welche Baumarten sich bereits auf natürlichem Weg eingestellt haben, bzw. zu erwarten sind. Bei Heiner fallen etliche Eichen am Weg auf, die offenbar trotz der Verbissgefährdung durch Rot- und Rehwild hochwachsen. 

Im Revier Lerbach gibt es aber auch ältere Buchenbestände, die wir uns dann anschauen. Diese sind teilweise aus der Nutzung genommen worden, es gibt aber auch große Bereiche mit um die 90-jährigen Buchen, die noch geschlossen und weitgehend ungeschädigt sind. Hier halten wir es übereinstimmend für sinnvoll, zur Zeit gar keinen Holzeinschlag vorzunehmen, was auf Grund der von mir so oft beobachteten höheren Anfälligkeit von aufgelichteten Buchenbeständen gegenüber Hitze- und Dürreschäden geboten erscheint. Allerdings sehen die niedersächsischen Waldbaurichtlinien in diesem Alter ohnehin vor, den Vorrat anwachsen zu lassen, und erst mit Erreichen der angestrebten Zielstärke wieder in die Nutzung einzusteigen. 

Heiners Revier reicht bis an die Sösetalsperre, wo er auch Wald des Harzer Talsperrenverbundes betreut. Tatsächlich wird Wasser von hier über eine Leitung bis nach Bremen geführt!

Wie schon öfter erwähnt, ist ein hoher Laubbaumanteil für die Trinkwasserbereitstellung essentiell. Da der Harz eine sehr hohe Bedeutung hierfür hat, ist es allein aus diesem Grund sehr wichtig, Laubbäume im hohen Maß bei der Wiederbewaldung der abgestorbenen Fichtenflächen zu verwenden. 

Auf fast jedem zurückgelegtem Meter gibt Heiner Erklärungen zu dem was wir rechts und links sehen. Dabei ist seine Liebe zum Detail ausschlaggebend für viele Dinge die einem ansonsten zufällig erscheinen könnten. So werden Bäume und Sträucher die bei Pflegearbeiten an den Wegen nicht beschädigt werden dürfen, mit Papierbändern markiert, schon seit langem zahlreiche Sträucher an den Wegen gepflanzt, seltene Baumarten gefördert und vieles mehr. Sehr beeindruckend!

Wie schon gestern gesehen, sind Kulturzäune zum Schutz vor Wildverbiß in vielen Fällen unverzichtbar, allerdings sieht man die andernorts so sehr verbreiteten Wuchshüllen hier überhaupt nicht, schlicht und einfach, weil deren Einsatz im niedersächsischen Staatswald verboten ist!

Der Hauptgrund hierfür ist wohl, dass so viel Plastik nicht in den Wald passt, allerdings sind Wuchshüllen auch ziemlich teuer, so dass fast immer ein Gatter günstiger ist. 

Wie ich ja gestern gehört hatte, soll die Weißtanne jetzt im größeren Umfang im Harz eingebracht werden, Heiner hat in seinem Revier aber sogar einige Alttannen, die sich natürlich verjüngen. Dinge die erst heute wieder ausprobiert werden, wie Erlen auch außerhalb von Nassbereichen zu pflanzen, hat er schon vor langer Zeit gemacht. 

Während es morgens noch teilweise neblig war und Schauer nieder gingen, setzt sich nachmittags die Sonne langsam durch, so dass wir von einigen Punkten herrliche Aussichten in die Landschaft mit ihren bunten Buchenwäldern erhalten.

Schließlich verabschieden wir uns und ich setze meine Wanderung von Lerbach fort. Da es aber bis zu meinem nächsten Termin am Freitag nicht allzu weit ist, schlage ich schon recht früh mein Lager in einem jungen Laubmischwald auf, in dem es allerdings auch etliche Eiben gibt. Bestimmt auch das Werk von Heiner!

Die dauerhafte Markierung von Rückegassen, um das Befahren weiterer Flächen in der Zukunft zu vermeiden, ist so einfach!
Auch im Revier Lerbach gibt es große Freiflächen
Erstaunlich viele Eichen
Auch hier wird der Waldumbau schon seit langem betrieben
Buchenpflanzung unter Fichten
Praktikant Oskar und Schweißhund Digge
Heiner und Oskar
Markierung von zu schonenden Bäumen auf Wegeböschungen
Geschlossene, mittelalte Buchenbestände
Sösestausee
Naturverjüngung von Weißtannen
Blick Richtung Osterode
Eichenpflanzung
Erle mit Buche
Wuchshüllen sind bei den Landesforsten inzwischen verboten
Im Harz wachsen die Bäume aus den Schornsteinen
Herbstfärbung der Eichen
Blick nach Lerbach
Mein Rucksack ist dagegen ein Witz!

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3 Gedanken zu „26.10.2021 Tag 223 Mit Heiner Wendt im Revier Lerbach

  • 30. Oktober 2021 um 14:01
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    … man kann nicht aufmerksam genug die verschiedenen Erkenntnisse aus der Naturentwicklung des Waldes in den unterschiedlichen Regionen wahrnehmen. Vor ein paar Wochen hatte ich gehofft, Heiner Wendt zufällig rund um Lerbach auf der Roten Sohle am Bärenkopf (Kleiner Brocken) zu treffen und zu sprechen. Jetzt sind schon viele Fragen beantwortet …

    Antwort
  • 31. Oktober 2021 um 13:43
    Permalink

    Der Bericht über das Lerbacher Revier war auch wieder sehr aufschlußreich und hat dazu geführt, auch die VorläuferBeschreibungen vom nördlichen Vorharz und vom Oberharz Richtung Bodetal, Brocken, Buntenbock sowie dem westlichen Vorharz zu verfolgen. – Insgesamt eine sehr komplette Darstellung des Mittelgebirges mit allen Bedenken. Dennoch ist meine Waldbegeisterung weiter gestiegen!

    PS: Sie erwähnen neben den Wanderern kaum die stark steigende Zahl an Mountain Bikern in den Wäldern. Wie ist ihre Haltung dazu?

    Antwort
    • 1. November 2021 um 8:58
      Permalink

      Hallo Herr Gärtner,

      was die Mountainbiker angeht, sehe ich es grundsätzlich als positiv an, wenn sich Menschen ohne Motorkraft im Wald bewegen und so zu einer Verbindung kommen. Natürlich kann es regional auch Probleme geben, die sind aber meiner Meinung nach von untergeordneter Bedeutung, verglichen zum Beispiel mit der Befahrung durch Forstmaschinen.

      Antwort

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