22.04.2021 Tag 54 Nationalpark Schwarzwald 2

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In der Nacht ruft ein Sperlingskauz und einmal fliegt eine Waldschnepfe mit ihren zwitschernden und knorrenden Geräuschen über mich hinweg. Da ich noch viel Zeit bis zum Treffen mit Ranger Reif habe, unternehme ich einen Abstecher zum Wildsee. Dieser wurde von der Eiszeit geschaffen und der Abstieg auf einem steilen, felsigen Pfad ist nicht ganz einfach. Vor allem interessiert mich hier der Bannwald. Auf 70 Hektar ruht seit mehr als 100 Jahren die forstliche Bewirtschaftung. Zwar klärt eine Tafel über das Gebiet auf, aber am Pfad ist fast nichts von sehr alten Bäumen und viel Totholz zu sehen. Schade!

Am Infozentrum Ruhestein treffe ich mich mit Chefranger Urs Reif, einem studierten Biologen. Wir unternehmen einen kleinen Spaziergang bei dem ich allerhand über den erst 2014 ausgewiesenen, etwa 10.000 ha großen Park erfahre. Da es kein zusammenhängendes Staatswaldgebiet ähnlicher, naturschutzfachlicher Güte gibt, wurde der Nationalpark mit zwei, durch einen Korridor aus Privatwald getrennten Bereichen ausgewiesen. 

Heute dominiert hier bei weitem die Fichte, die von Natur aus im Umfang von lediglich 10-30 % vertreten wäre. Vor allem die Buche fehlt leider weitgehend in den höheren Lagen. Allerdings geht man davon aus, dass sich Buchen und Tannen zu Lasten der Fichte wieder ausbreiten werden, dass kann aber Jahrhunderte dauern…

Etwa die Hälfte des Parks ist bereits Kernzone, in der keine Maßnahmen mehr statt finden. Zum angrenzenden Privatwald wird ein 500 Meter breiter Streifen intensiv auf Borkenkäferbefall kontrolliert, der gegebenenfalls sofort beseitigt wird. Auf Buchenunterpflanzungen, wie ich sie in den beiden anderen schon besuchten Parks gesehen habe, wird hier verzichtet. Ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeiten ausserhalb der Kernzone ist die Biotopflege zu Gunsten des Auerhuhns. Dazu werden dichte, junge Fichtenbestände aufgelichtet, so dass mehr Licht an den Boden kommt und sich Heidelbeeren einstellen. Dennoch nimmt der Bestand dieser Vogelart im ganzen Schwarzwald ab, wofür man die Ursache nicht wirklich kennt. Ob Beunruhigung durch Wanderer dabei eine Rolle spielt, ist nicht klar. 

Durch die in bedeutendem Umfang im Nationalpark in den letzten Jahren entstandenen Borkenkäferflächen sollte sich das Biotop eigentlich von selber verbessern.

Europaweit gesehen ist das Auerhuhn allerdings keineswegs selten, und ich konnte es schon etliche Male in den Alpen und in Skandinavien beobachten. Ob man zu Gunsten einer lediglich lokal bedrohten Tierart zu so intensiven Maßnahmen greifen sollte, kann man hinterfragen. Nichts desto Trotz ist es eine Charakterart des Schwarzwaldes und ich fände es sehr schade, wenn es hier aussterben würde. 

Lediglich auf einem Drittel der Fläche, in der Kernzone wird nicht mehr gejagt, ansonsten versucht man die Beunruhigung durch diese Wildmanagementmaßnahmen so gering wie möglich zu halten. Vor allem durch die Nähe zum angrenzenden Privatwald wird man aber wohl dauerhaft vor allem das Rotwild bejagen. Hier wäre meiner Meinung nach mehr Mut wünschenswert, Wegesperrungen hin und her, die meisten Wanderer sind nicht in der Dämmerung unterwegs und schießen auch nicht….

Jagd ist dagegen ein bedeutender Unruhefaktor. 

Überall verjüngt sich hier im Nationalpark der Wald üppig, und daran würde wohl auch ein etwas höherer Rotwildbestand nichts ändern. Dagegen würde das Rotwild vermutlich auch die Grinden , ehemalige Weideflächen, die aus Artenschutz- aber auch landschaftsästethischen Gründen offen gehalten werden sollen, tagsüber aufsuchen, wenn die Angst geschossen zu werden wegfiele. Auch für einen offeneren Wald der dem Auerwild zu Gute kommt, wäre mehr Rotwild vermutlich super. Nicht zuletzt wäre tagaktives Rotwild eine tolle Attraktion für den Park!

Insgesamt gesehen muss man sagen, dass der Nationalpark Schwarzwald aus meiner Sicht ein typischer Entwicklungsnationalpark ist, größtenteils in ziemlich naturfernem Zustand und mit allerhand Maßnahmen für unabsehbare Zeit gesegnet. Der Weg zur Wildnis ist weit!

Nach interessanter Diskussion trennen wir uns schließlich und ich setze meinen Weg über die Grinden zum Schliffkopf fort. Hier in der Nähe der Straße sind einige Leute unterwegs, für das schöne Wetter aber sicher eher wenig, Corona!

Ich treffe Wojtek, einen jungen Polen der mit der Hängematte einige Tage durch den Schwarzwald wandert und gelange schließlich auf die Murgleiter, einen über 100 Kilometer langen Wanderweg, den ich schon einmal bei Gaggenau kennen gelernt hatte. Am Ursprung der Murg vorbei geht es im Tal abwärts. Der nächste Termin morgen Mittag ist nicht mehr weit entfernt, daher kann ich mir Zeit lassen und sitze manchmal in der Sonne. 

Schließlich finde ich einen tollen Platz für mein Cowboycamp unter mächtigen Tannen und mit Buchenlaubuntergrund. Sehr schön!


Die Erklärung, die gestern gefehlt hat…



Morgen über dem Wildsee


Nur wenig alte Bäume

Wildsee


Echt gefährlich hier…

Leider ist nicht viel davon zu sehen…

Moorbereiche mit Latschenkiefern

Chefranger Urs Reif


Das neue Infozentrum wird demnächst eröffnet

Schön erklärt!


Über Grinden zum Schliffkopf


Schliffkopf 

Wojtek wandert mit Hängematte


Grindenbeweidung


Grinde


Fernwanderweg Murgleiter


Fichte dominiert


Abwurfstange vom Rothirsch

Ein tolles Cowboycamp


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Ein Gedanke zu „22.04.2021 Tag 54 Nationalpark Schwarzwald 2

  • 26. April 2021 um 16:56
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    Zur kurzen Ergänzung des Cowboy-Camps. Wir konnten in unserem guten Gespräch unter anderem auch die Frage klären, dass das Nächtigen dieser Tour außerhalb des Nationalparks stattfindet. Für mich stellte die Akzeptanz der Regelungen des Schutzgebietes eine wichtige Grundlage für das Gespräch und für die Unterstützung des spannende Projektes dar. Da die Waldbegeisterung sich jedoch konsequent schutzgebietsverträglich ausrichtet konnten wir in einen guten fachlichen Austausch übergehen.
    Wojtek konnte ich im Übrigen nachmittgags auch noch zufällig treffen und vorsichtshalber über das Nächtigen im Nationalpark aufklären 🙂
    Urs Reif

    Antwort

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