19.04.2021 Tag 51 Naturnahe Waldbewirtschaftung im Stadtwald Baden Baden

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In der Nacht höre ich Waldschnepfen und eine Waldohreule. Es bleibt ziemlich trocken bis es gegen Morgen wieder anfängt zu regnen und dann auch so schnell nicht wieder aufhört. Im Wesentlichen folge ich dem Saumweg weiter nur unterbrochen durch eine längere Siedlungspassage in Bad Rotenfels/ Gaggenau. Hinter dem Ort gibt es einen interessanten Lehrpfad, wo zum Beispiel auf die Bedeutung von Salweide und Brennessel für Schmetterlinge eingegangen wird.

Insgesamt sieht der Wald hier noch recht gut aus, aber in älteren Buchenbeständen gibt es auch Bäume mit vertrockneten Kronen. Die Wolfsschlucht ist ein enges Tal mit alten Buchen und viel Totholz.

Anschließend gelange ich bereits in den Stadtwald Baden- Baden, mit 7500 ha, der größte kommunale Waldbesitz Baden- Württembergs. Auffällig sind hier mächtige alte Buchen, die offenbar schon seit langem bewusst entlang der Wege nicht genutzt wurden. Sehr schön!

Oberhalb der Stadt liegen offene Weinberge, die mir schöne Aussichten gewähren, allerdings ist es noch ziemlich dunstig, obwohl der Regen aufgehört hat.

Im Stadtpark an der Oos gilt Maskenpflicht, die Corona Pandemie ist leider immer noch nicht zu Ende…

Während ich am Stadtmuseum pausiere, erscheint Jannis Große ein 23-jähriger Fotograf, der mich für zweieinhalb Tage begleiten will. 

Bald kommt dann auch Thomas Hauck, der Leiter des Forstamts Baden- Baden, der uns den Stadtwald zeigen will. Der städtische Waldbesitz reicht vom Rhein auf 100 Meter Meereshöhe bis zu den Gipfeln des Schwarzwalds auf 1000 Meter. Der Sturm Lothar, am 26.12.1999 hat den Stadtwald schwer getroffen. Damals entstanden über 1500 ha Freiflächen und über 500.000 Kubikmeter Holz lagen am Boden. Allerdings schauen wir uns als erstes eine etwa 30 Hektar große Fläche an, die bis 2010 von altem Laubwald bewachsen war. Dann hat ein Sommertornado diesen stabilen Wald mit seiner Riesenfaust umgeworfen. Nach nur 10 Jahren hat sich durch natürliche Verjüngung wieder ein bunt gemischter Wald eingestellt. Lediglich Eichen wurden gepflanzt, die jetzt langsam teilweise von den bedrängenden Birken freigestellt werden müssen. Es werden im Forstamt keinerlei Freischneidearbeiten durchgeführt, was sich als unnötig erwiesen hat. Der junge Wald setzt sich hier auch ohne Hilfe immer gegen die Konkurrenzpflanzen wie Brombeere und Ginster durch. 

Beeindruckend finde ich, dass auf den riesigen Jungwaldflächen ein Netz aus markierten Pflegepfaden in 40 Meter Abständen angelegt wurde. Diese Linien ermöglichen die Entwicklung des Waldes zu beobachten, und wenn nötig, mit Pflegemaßnahmen einzugreifen. Sie bilden dann auch die späteren Rückegassen, ebenfalls mit mindestens 40 Meter Abstand. Vorbildlicher Bodenschutz! Sehr vorrausschauend finde ich, dass diese Linien mit GPS aufgenommen und digitalisiert werden. Damit lassen sich die Gassen auch bei einer erneuten Katastrophe wiederfinden, wodurch die Befahrung weiterer Flächen vermieden wird. 

An einem alten Buchenbestand erläutert Thomas Hauck, dass es dem Forstamt sehr wichtig ist, diese alten Wälder durch Auflichtungen nicht Sonne, Trockenheit und Hitze stärker auszusetzen. Habitatbäume werden bewusst belassen, kleinere Flächen als Waldrefugien aus der Nutzung genommen, und insgesamt 10 % der Stadtwaldfläche sollen sich zur „Wildnis von morgen“ entwickeln. Der größte Bestandteil hierzu sind 423 Hektar, die die Stadt dem Nationalpark Schwarzwald hinzu gefügt hat, und dass ohne jede finanzielle Abgeltung! Normalerweise werden Nationalparks in Deutschland fast ausschließlich in landeseigenen Flächen ausgewiesen, daher ist das ungewöhnlich und vorbildlich!

Generell sagt Thomas Hauck, werden im Stadtwald Erholungs- und Schutzfunktionen des Waldes im Konfliktfall höher bewertet, als der finanzielle Nutzen aus dem Wald. Das merkt man deutlich, nichts desto Trotz wird hier in normalen Zeiten ein Einnahmeplus aus dem Wald erzielt. 

Auf den riesigen Lothar Flächen ist für mich erstaunlich, wie wenig Fichten in der nächsten Generation sind. Besonders der Bergahorn hat sich stark ausgebreitet, aber auch Buchen sind fast überall vertreten. Selbst ganz ohne Pflanzungen wäre hier überall neuer Mischwald entstanden. Lediglich in den höheren Lagen ist der Fichtenanteil höher, aber auch hier nie dominant. 

Mittlerweile gibt es im Forstamt gar keine älteren, reinen Fichtenbestände mehr. Wo zu wenig Naturverjüngung sich einstellte, wurden überall punktuell Buchen und Weisstannen gepflanzt, mittlerweile funktioniert das auch ohne Schutzmaßnahmen ganz gut, was Hauck auf die Bejagung zurückführt. 10-12 Rehe pro 100 Hektar werden geschossen und regional vermarktet. 

Am Ende unserer kleinen Exkursion frage ich Thomas Hauck, ob er angesichts des Klimawandels Sorgen um seinen Wald hat. Natürlich beschäftigt ihn diese Frage intensiv, allerdings denkt er, dass der gemischte Wald hier sich als stabil erweisen wird. In Baden Baden wurden in der Vergangenheit auch viele nicht einheimische Bäume gepflanzt, von Thuja zu Mammutbäumen. Das wird heute nicht mehr gemacht, Hauck setzt ganz auf unsere angestammt Baumartenpalette, aber nimmt Naturverjüngung der Douglasie gerne mit. 

Erst gegen 17:30 verabschieden wir uns ich setze mit Jannis meine Wanderung vom Stadtmuseum aus fort. Die Sonne ist jetzt wieder hervor gekommen und es ist ein schöner Abend. 

Nach zwei Stunden erreichen wir die einfache Herrenacker Hütte, zu der uns Herr Hauck den Schlüssel gegeben hatte und wo wir die Nacht verbringen.


Interessanter Lehrpfad


Toller Mischwald


Der Besenginster blüht


Geschädigte Buchen


Mischwald mit vielen Douglasien


Wolfsschlucht


Alte Bäume an den Wegen


Katastrophen…

Baden Baden im Dunst


Corona ist noch da


Schönes Motto!


10 Jahre nach dem Tornado


Behutsame Nutzung der Altbuchen


Mischwald nach 20 Jahren


Keine reinen Fichtenbestände mehr!


Punktuelle Einbringung von Weisstannen


Auch die Birke gehört dazu!


Mit Jannis unterwegs


Herrenacker Hütte



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Ein Gedanke zu „19.04.2021 Tag 51 Naturnahe Waldbewirtschaftung im Stadtwald Baden Baden

  • 21. April 2021 um 9:34
    Permalink

    Ich habe 2010 das Naturschutzgebiet Holnis betreut (kein Wald). Die Flächen werden von Galloways und Hochlandrindern für Bodenbrüter freigehalten. Brombeeren fressen die Aber nicht. Im Schutz der Brombeere wachsen Eichen. Junge Eichen würden die Rinder fressen. Wenn die Eichen eine gewisse Höhe erreicht haben, verschwinden die Brombeeren und die Eichen bieten den Rindern einen schattigen Unterstand.

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