15.07.2021 Tag 128 Zur Hainleite und der Waldbericht…

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Am Morgen fotografiere ich noch eine Ulme, neben der ich geschlafen hatte. Das ist etwas Besonderes, denn soviele alte Ulmen gibt es nicht mehr. Sie sind größtenteils leider einem Pilz zum Opfer gefallen, ähnlich dem Eschentriebsterben heute.

Während es unter dem Kronendach trocken geblieben ist, sind Schuhe und Strümpfe auf dem Grasweg an der Notter bald durchnässt. Rasch erreiche ich wieder den Radweg und laufe durch Schlotheim. In Ebeleben kaufe ich etwas ein und gönne mir mal wieder eine große Schale Walnusseis, denn heute ist das Wetter sonnig und warm. 

Der Radweg ist erst wenige Jahre alt und verläuft recht schön. Besonders gefällt mir, dass immer mal wieder Blumensäume seinen Verlauf begleiten. Eine junge Eidechse sonnt sich auf dem Asphalt. 

Gerade ist der aktuelle Waldbericht der Bundesregierung erschienen, den ich mir runterlade und während der Pausen lese. Er ist in erster Linie aus der forstwirtschaftlichen Perspektive geschrieben, beinhaltet aber auch eine ganze Reihe anderer Informationen zum Waldzustand. 

Daher möchte ich mich hier ein wenig damit beschäftigen und einige Zahlen in Zusammenhang setzen. 

Es hat noch nie drei so extreme Dürrejahre bei uns aufeinanderfolgend gegeben, 2003 war das bis dahin krasseste Jahr, aber 2018 war schlimmer, und 2019 sowie 2020 eben so schlimm. 

Deutschland ist zu 32 % bewaldet, was einer Fläche von 11,4 Millionen Hektar entspricht. Seit Beginn der Dürre 2018 bis Ende 2021 ist auf 277.000 ha der Wald komplett abgestorben. Dabei handelt es sich weit überwiegend um mit der Baumart Fichte bewachsene Flächen. Im Verhältnis zur Gesamtwaldfläche erscheint das zwar als nicht sehr viel, ist aber beispielsweise mehr als die 10-fache Fläche des Nationalparks Bayerischer Wald! Das ist das größte Schadereignis, das es bisher in Deutschlands Wäldern gegeben hat!

In Deutschland werden aktuell etwa 77 Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr eingeschlagen. Die gesamte Schadholzmenge in diesem Zeitraum beträgt 171 Millionen Kubikmeter, davon lediglich 14,1 Mio. Laubholz.

Etwa 16 % des Holzvorrats der Baumart Fichte sind damit verloren gegangen! Das ist zwar Einiges, zeigt aber auch, wie viel noch vorhanden ist. 

Der Bericht weist einige Male auf den seit 30 Jahren erfolgten Waldumbau hin, durch den vor allem Fichtenreinbestände zu Mischbeständen entwickelt werden sollten. Hier ist zwar tatsächlich etwas passiert, aber nach einer aktuellen Risikoanalyse sind noch 2,85 Mio ha, wiederum größtenteils Fichtenfllächen stark gefährdet und müssen zügig umgebaut werden. Das ist etwa das 10- fache, der bis jetzt abgestorbenen Flächen! Hierzu muss man klar sagen, dass das hohe Risiko der Fichtenreinbestände schon sehr lange bekannt ist. Hätte man in den letzten 30 Jahren den Waldumbau wirklich konsequent durchgeführt, hätten wir jetzt nicht die Probleme riesiger Freiflächen, die sowohl ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher ebenso wie den Nutzen für das regionale Klima erst mal verloren haben. Von allen anderen Funktionen eines intakten Waldes gar nicht zu reden!

Der Bericht betont zwar sehr stark die Rohstofffunktion des Waldes, geht aber auch auf Anderes ein, ohne die Konflikte zwischen intensiver Nutzung und den anderen Funktionen des Waldes zu thematisieren. So erfährt man, dass ein hoher Laubbaumanteil wichtig für die Grundwasserneubildung ist, ebenso für die Stabilität der Wälder. Gleichzeitig malt man aber das Schreckgespenst an die Wand, dass durch den notwendigen Waldumbau es an Nadelholz für die Industrie fehlen könnte. Dabei wird davon ausgegangen, das ein einmal erreichtes Nutzungslevel unumkehrbar ist. Hier sind wir bei einem grundsätzlichen Problem unseres Wirtschaftssystem, welches auf ständiges Wachstum ausgelegt ist, obwohl eigentlich jeder weiß, dass gerade wir in Deutschland ein Mehrfaches des Ressourcenverbrauchs haben, der nachhaltig  möglich wäre. Ohne Umkehr dieses Trends werden wir auf Dauer als Menschheit die größten Probleme bekommen!

Zurück zum Forstsektor. Noch in den neunziger Jahren wurde lediglich die Hälfte des Holzes eingeschlagen, was heute genutzt wird. Haben wir damals unter Holzmangel gelitten? Warum sollte es nicht möglich sein, auf dieses Level zurückzukehren? Natürlich würde das Anpassungen in der Industrie bedeuten, aber die ist ganz sicher in der Lage dazu, wenn sich halt die Rahmenbedingungen ändern. Siehe Autoindustrie und Einführung Elektromobilität. 

Wir müssen der Realität einfach ins Auge sehen. Stabilere Wälder mit besseren Wirkungen auf Wasserspeicherung, Bodenzustand und Kohlenstoffspeicherung bedeuten weniger Nadelholz und damit insgesamt weniger Rohstoff für die Industrie. 

Die Bundesregierung sollte Farbe bekennen, will sie diesen Weg tatsächlich einschlagen oder gehen am Ende doch wirtschaftliche Interessen vor?

So wird auch zum Thema Bodenschutz durchaus anerkannt, dass die Befahrung der Waldböden schädlich ist und reduziert werden muss. Aber wo bleibt da die konkrete Forderung nach einem Mindestrückegassenabstand von 40 Metern, was technisch ohne weiteres möglich ist, gegenüber dem heutigen Standard von 20 Metern?

Was letzten Endes von allen schönen Worten zum Waldumbau zu halten ist, offenbart sich dann auch sehr schön an der „Nachhaltigkeitsprämie“. Diese wird in Höhe von 100 oder 120 Euro pro Hektar seit letzem Jahr mit der Gießkanne an die Forstbetriebe verteilt, egal ob sie von den Dürreschäden betroffen sind oder nicht. Statt diese Mittel an sinnvolle Sachen wie Wiederbewaldung und Waldumbau als Auflage zu knüpfen, wurde lediglich eine in der betrieblichen Praxis keine Einschränkungen bedeutende Zertifizierung verlangt. So wäscht man sich ohne nass zu werden…

Natürlich kann man mit solchen Geschenken schön Wählerstimmen gewinnen, aber der Wald hat verloren…

Recht früh erreiche ich dann die Hainleite, das erste größere Waldgebiet seit dem Hainich. Zunächst gehe ich durch jungen Laubwald in dem nur noch wenige alte Bäume über geblieben sind, vor allem Eschen und Eichen. Mein Lager schlage ich dann in einem sehr vielfältigen Wald aus Linden, Aspen, Eichen, Hainbuchen, Spitzahornen und Eschen auf. Als es einige Tropfen regnet, ziehe ich mich unters Tarp zurück, wo ich von den Mücken gepeinigt werde.

Ulme
Schachbrettfalter
Junge Eidechse
Insektenleben
Ein schöner Radweg
Nette Rastplätze
Distelmeer
Zur Hainleite
Nur noch wenig alte Bäume

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3 Gedanken zu „15.07.2021 Tag 128 Zur Hainleite und der Waldbericht…

  • 17. Juli 2021 um 10:51
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    Hallo Gerald,

    interessante Bilanz und klasse, dass du das aufgreifst 😀 …
    “ gerade wir in Deutschland ein Mehrfaches des Ressourcenverbrauchs haben, der nachhaltig möglich wäre. Ohne Umkehr dieses Trends werden wir auf Dauer als Menschheit die größten Probleme bekommen!”
    Wir sollten also unsere, wie auch die globale Situation in den Blick nehmen. Und hier kann jede und jeder helfen, Ressourcen zu schonen durch die Wahl der Ernährung. Den weitaus größten Effekt für den Schutz der Umwelt hat die pflanzliche Ernährung, hier ist ein informatives Video dazu: https://fornature.earth/?fbclid=IwAR3-Aaz3KV03eBx5M915b175Z4qnqZVcXvMY48XoSnVm4kcbDczyJuVfFsY#watch

    Antwort
    • 17. Juli 2021 um 21:35
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      Hallo Christine,

      ja die Ernährung ist wichtig und persönliche Konsumentscheidungen sind es auch. Aber generell denke ich, das es wichtig ist, das die Regierungen klare Regeln schaffen. Lediglich auf die persönliche Einsicht zu setzen, reicht leider nicht aus.

      Antwort
  • 24. Juli 2021 um 10:09
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    Vielen Dank für die Antwort, Gerald 😀 Wenn wir auf Regierungen warten, dauert das leider lange (wenn überhaupt etwas passiert). Es ist sehr lohnenswert und sofort umsetzbar, die Ernährung anzugehen. Und nimmt kaum Zeit in Anspruch, sodass andere Wege parallel verfolgt werden können.

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