12.03.2021 Tag 15 Nationalpark Eifel 2

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Am Morgen erreiche ich bald Wolfsgarten, wo ich hinterm Ort auf einer Bank erst mal von gestern blogge…

Um 9 bin ich dann in Gemünd, wo ich Nico treffe, und wir kurz darauf im Besprechungsraum des Nationalpark sitzen. Der Leiter Kommunikation Herr Lammertz begrüßt uns freundlich, weist aber auch darauf hin, dass ich in dem Blogartikel von heute Morgen den „Wildnistrail“ verrissen hätte. Nun, es gibt auf diesem 85 Kilometer langem Weg auch schmale Pfade, aber der Großteil der Strecke verläuft nun mal auf Wirtschaftswegen, wie ich schon bei einem früheren Besuch festgestellt hatte.

Nach der Begrüßung fahren wir mit Florian Krumpen, dem Leiter des Gebietsmanagements und Martin Weisgerber von der Öffentlichkeitsarbeit des Nationalparks raus, und sehen uns verschiedene Punkte an.

Verkehrsicherungsmaßnahmen werden hier tatsächlich nur noch an wenigen besonders frequentierten oder barrierefreien Wegen durchgeführt. Dagegen baut der Park etwa 15 Wegekilometer im Jahr aktiv zurück, in dem er sie mit einem Bagger aufreißt und Fichten über den Weg fällt, damit dieser dann tatsächlich nicht mehr begangen wird. Gerade in Coronazeiten habe der Besucherandrang stark zugenommen und solche Lenkungsmaßnahmen werden immer wichtiiger. Insgesamt ein guter Baustein auf dem Weg zu mehr Wildnis!

In einem Nakturwaldreservat mit 23 ha Fläche, was schon 1971 ausgewiesen wurde, wachsen die mit 170 Jahren ältesten Buchen des Nationalparks, aber auch hier setzt erst langsam die Entwicklung zu mehr Totholz und vielen Mikrohabitaten ein, die mit dem langwierigen Zerfall alter Bäume einher gehen. Generell bestehen lediglich 51 % der Waldfläche im Nationalpark aus Laubbäumen, die  auch von Natur aus wachsen würden. Fast die Hälfte besteht meist aus Fichten, die hier erst seit knapp 200 Jahren angebaut wurden. Diese Zahlen machen deutlich, ein wie langwieriger Weg es zu einem wirklich naturnahen Wald sein wird. Immerhin werden schon jetzt etwa 6000 ha als Prozessschutzflächen der natürlichen Entwicklung überlassen, abgesehen von jagdlichen Eingriffen zum Wildtiermanagement. 

Im Südbereich des Nationalparks gibt es einen Block von fast 3000 ha Fichtenwald, oft um 70 Jahre alt, daher aus den Aufforstungen nach dem Zweiten Weltkrieg stammend, der hier in der Eifel von heftigen Kämpfen geprägt war. 

Generell kann man natürlich die Frage stellen, weshalb hier überhaupt ein Nationalpark eingerichtet wurde, obwohl ein so großer Teil der Fläche in stark naturfernem Zustand ist. Hierzu muss man wissen, dass ein Nationalpark wenigstens 10.000 ha Fläche haben sollte, um international anerkannt zu werden. Im Norden gab es mit dem Kermeter einen großen Laubwaldbereich der schon lange Naturschutzgebiet war und dessen steilen Hänge  nur extensiv genutzt wurden. Als dann auf der Dedenborner Hochfläche der von den Belgiern genutzte Truppenübungsplatz aufgegeben wurde, ergab sich die Chance eine große Offenlandfläche zu integrieren. Dafür hat man dann in Kauf genommen, dass es im Rest großflächige, naturferne Fichtenbestände gibt. NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands. Da ist es schwierig, ausreichend große, für einen Nationalpark geeignete Flächen zu finden, die dann auch noch im Bundes- oder Landesbesitz sein sollen. Mit der Senne bei Bielefeld, ebenfalls überwiegender Truppenübungplatz, stand lange ein weiteres Gebiet in der Diskussion. Vielleicht werden die entsprechenden Pläne ja noch einmal aufgewärmt?

Nach den Bildern aus dem Sauer- und Siegerland bin ich erstaunt, wie viele intakte Fichtenbestände diesen Alters es hier noch gibt. Herr Krumpen erwähnt, dass auch in den letzten Trockenjahren die Niederschlagsmenge kaum gesunken war, weshalb die Fichen ihre Widerstandskraft behielten.

Einen großen Raum in unserer Unterhaltung nimmt das Thema Wildtiermanagement ein. Hier spielt im Nationalpark Eifel das Rotwild die wichtigste Rolle. Eigentlich soll in Nationalparks gar nicht mehr gejagt werden, was natürlich das Motto „Natur Natur sein lassen“ zwingend nahe legt. Allerdings sind die großen Raubtiere wie Luchs und Wolf hier schon lange ausgestorben und haben sich bisher auch noch nicht wieder angesiedelt. Künstliche Wiedereinbürgerung ist zur Zeit kein Thema. 

Obwohl die möglichen Wildbestandsregulatoren also fehlen, gibt es im Offenland der Dedenborner Hochfläche einen Bereich von 600 Hektar in dem nicht gejagt wird. Das hat dazu geführt, dass das Rotwild hier wenig Scheu ist und auch bei Tag beobachtet werden kann. In einem anderen Bereich von 900 ha im Norden wurde probeweise drei Jahre lang nicht gejagt, allerdings hat sich das Rotwild dann dort so konzentriert, dass dieser Versuch wieder abgebrochen wurde. 

Zwei Weisergatter, die wir anschauen, zeigen auf den ersten Blick wenig Unterschiede. Buche und Eberesche wachsen inner- und außerhalb des Zauns. Zwar gibt es Höhenunterschiede, diese sind jedoch nicht extrem. Allerdings gibt es in dem einen Gatter keine Weiden außerhalb des Zauns. 

Auch scheint die Verjüngung der Buche überall gut zu funktionieren. Vielleicht sollte man doch noch einmal auf größerer Fläche jagdfreie Zonen einführen, einen Versuch wäre es sicher wert!

Nichts desto Trotz wird im Nationalpark versucht in Intervallen mit möglichst wenig Beunruhigung für das Wild zu jagen. Etwas 60 % des Abschusses wird dabei auf wenigen, großen Gemeinschaftsjagden erledigt.

Der Nationalpark ist oft von Wald anderer Besitzarten umgeben. Um diese benachbarten Wälder vor aus dem Nationalpark stammenden Borkenkäfern zu schützen, wird in einer Zone von etwa 500 Metern entlang der Grenzen befallenes Holz entnommen. Allerdings mit einem Rückegassenabstand von 40 Metern. Dies funktioniert bisher auch ganz gut. Um dieses Problem langfristig zu entschärfen wurden in dieser Zone die Fichtenbestände mit jungen Buchen unterpflanzt, die hier die nächste Waldgeneration bilden sollen. 

75 % der Fläche sollen ab 2034 dem Prozessschutz unterliegen, auf dem Rest der Fläche werden auch andere Naturschutzmaßnahmen, wie das Mähen von Wiesen langfristig weiter geführt. 

Nachdem wir so einen intensiven Einblick in das Geschehen in einem „Entwicklungsnationalpark“ bekommen haben, setze ich alleine meinen Weg von Gemünd fort. Gab es bisher nur kleinere Schauer, regnet es bald intensiv, und ich bin glücklich Unterschlupf in einer Schutzhütte zu finden, wo ich jetzt diese Zeilen in meinen Laptop hämmere, während der Regen in Schnee übergeht…


                                                                     Wegerückbau



                                                                      Rückgebauter Weg



                                 Die ältesten Buchen des Nationalparks



                                                                              Starke Bäume



                                   Die Entwicklung zu mehr Totholz beginnt



                       Buchenunterpflanzungen vor allem an den Grenzen

                                                                          Wenig Verbiss



                                              Ebereschen im Zaun gedeihen besser



                                                                        Artenreiche Mähwiese



                Die Entwicklung in- und außerhalb des Zauns ist nicht sehr unterschiedlich

                            Blick zurück auf Gemünd und den Nationalpark



                                                                            Zuflucht


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