Zwei beeindruckende Urwälder und ein Wolf

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10.04.2022

Die Nacht wird unangenehm kalt und am Morgen ist mein Zelt gefrorent. Dennoch bin ich bereits um 6:30 unterwegs und tauche schon bald in den Urwald Havesova ein. Auf einem Rücken nehme ich eine schemenartige Bewegung wahr und denke zunächst an Reh oder Hirsch, tatsächlich streunt da aber ein Wolf durch das Unterholz! Wie ein Traum ist die Begegnung zu schnell vorbei…

Ein Stück weiter bin ich dabei, eine alte Buche zu fotografieren und höre trappeln im noch gefrorenen Laub. Als ich aufschaue, kann ich es kaum glauben, ein riesiger Wolf zieht hangabwärts auf mich zu, sicher der Größte, den ich je gesehen habe!

Als das Tier vielleicht noch 40 Meter von mir entfernt ist, nimmt es mich offenbar wahr, macht kehrt und verschwindet. Das war spannend!

Aber Havesova selbst ist auch sehr interessant, auf fruchtbarem Lehmboden in nur 600 Meter Höhe, wachsen hier die höchsten Buchen der Welt, mit 56 Metern annähernd doppelt so hoch wie „normale“ ausgewachsene Buchen!

Dazu trägt sicher auch der gute Standort bei, aber im Gegensatz zu Wirtschaftswäldern, die durch die Holzernte laufend produktive Energie verlieren, konnten sich hier über lange Zeiträume die Stoffkreisläufe ungestört entwickeln, was das Ökosystem Buchenwald hier in einen Zustand höchster Produktivität versetzt hat, der sich in den beeindruckenden Baumhöhen manifestiert.

Allerdings gibt es auch im Urwald mitunter „Katastrophen“. Am Ostrand des Gebiets hat ein Sturm vor einiger Zeit eine große Fläche verwüstet. Während Laubwälder im Winterhalbjahr, wenn die meisten Stürme toben, ziemlich unempfindlich sind, sieht das bei sommerlichen Gewittern anders aus. Allerdings sind hier auch etliche, alte Bäume stehen geblieben. Ökologisch bietet so ein Ereignis natürlich für Tiere und Pflanzen, die viel Licht benötigen eine große Chance. Hier scheinen aber auch in der nächsten Generation wieder überwiegend Buchen zu wachsen. Marek und Martin hatten mir schon von dieser Fläche erzählt, als Beispiel für natürlich vorkommende größere „Störungen“ im Buchenwald. Die gibt es zweifellos, aber in Havesova kommt noch etwas anderes hinzu: Im Wirtschaftswald ringsum gibt es keine alten und hohen Bäume, die dem Urwald Schutz bieten könnten! So ist die „Katastrophe „ vielleicht doch ein bisschen Mensch gemacht? Ein Problem ist auch, dass so relativ kleine, isolierte Urwaldgebiete, durch so ein Ereignis prinzipiell auch ihre Biotopkonstanz verlieren können, die an das ständige Vorhanden sein von alten Bäumen und viel Totholz gebunden ist. Ein wichtiges Argument für ausreichend große Naturwaldgebiete und vernetzende Elemente im Wirtschaftswald.

Schließlich verlasse ich den Urwald und gelange an den Fluss Ulicka in Straßennähe. Keine Chance ohne Brücke über das reißende Gewässer zu gelangen…

Ich laufe talabwärts und zweimal zwingen mich Steilwände zum Ausweichen nach oben, bis ich nach eineinhalb Stunden schließlich an einen Steg gelange. 

Ein orthodoxer Priester nimmt mich dann mit nach Ulic unmittelbar an der Grenze zur Ukraine, wo ich in kürzester Zeit drei Mal von der Polizei kontrolliert werde. Nachdem ich zwei Weißstörche auf ihrem Nest bewundert habe, wandere ich zum nächsten Urwald: Rozok. Offene Wiesen gewähren mir weite Aussichten, kein Wunder warum die Landschaft übersetzt „Buchenberge“ heißt!

Rozok ist nur 67 Hektar groß, und es gibt einen kurzen Lehrpfad. Wie Vihorlat und Havesova gehört es zum UNESCO Weltnaturerbe „Buchenurwälder der Karpaten und…“ Der reine Buchenwald wächst auf 600 Meter Höhe an einem Nordhang. Auch hier sind Höhe und Dimension der Buchen gewaltig. Es gibt einzelne Exemplare mit zwei Meter Durchmesser! Dementsprechend ist der Holzvorrat mit 1000 Kubikmetern pro Hektar, etwa dem dreifachen deutschen Durchschnitt ungeheuer hoch! Je größer die Biomasse je höher die Kohlenstoffspeicherung, außerdem verfügen ungestörte Waldböden in Urwäldern ebenfalls über einen wesentlich höheren Kohlenstoffspeicher, als Böden im Wirtschaftswald!

Im Tal der Javornik gelange ich wieder an die Straße, werde kurz von der Polizei gejagt, bis klar ist, dass ich nur ein harmloser Wanderer bin und schlage schließlich mein Waldlager nach diesem ereignisreichen Tag auf.


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