4.5.2021 Tag 66 Naturgemäße Waldwirtschaft im Stadtwald Tuttlingen

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Bereits um 6 bin ich wieder unterwegs. Während es im Wald recht angenehm war, hat es im Tal gefroren. Schon um 8 erreiche ich Möhringen, wo dann pünktlich um 9 Hubert Geiger erscheint, seit 30 Jahren Leiter des 3500 ha großen Forstbetriebs der Stadt Tuttlingen. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt richteten die Orkane von 1990 große Schäden an, aber seit dem hat er den städtischen Wald komplett in Richtung Mischwald umgebaut. Damals gab es hier noch zu 60 % Fichten, die auf dem Kalkboden eigentlich komplett ungeeignet sind, da sie auf diesem Standort schon früh faul werden. Mittlerweile werden alle Bestände in fünfjährigem Turnus durchforstet. Dadurch gelangte so viel Licht an den Boden, dass sich die Buche auch in alle Fichtenbestände natürlich verjüngt, was auch für die Weisstanne gilt, wo diese vorhanden ist. Wo dass nicht der Fall ist, werden Tannen durch Saat oder Pflanzung von lediglich 400 kleinen Pflanzen pro Hektar eingebracht. Bisher sind die Fichten hier kaum von Borkenkäferschäden betroffen, aber selbst wenn dies in größerem Umfang der Fall sein sollte, steht die nächste, gemischte Waldgeneration bereit.

Herr Geiger erwähnt, dass der Rückegassenabstand hier 40 Meter beträgt, bei alten Gassen die noch im 20- Meter Raster angelegt wurden, wird jede zweite aufgegeben. Allerdings sehe ich einen Bestand, der kürzlich mit einem Harvester durchforstet wurden, und wo die Rückegassen eher im 20 Meter Abstand verlaufen….

Habitatbäume werden hier bislang nicht markiert, Höhlenbäume etc. aber geschützt, ebenso wie einzelne Buchen in den Fichtenbeständen, auch wenn sie von schlechter Qualität sind. Herr Geiger betont, dass ihm zu viel Farbe im Wald nicht gefällt, ebenso wie das Plastik der Wuchshüllen, die in Zukunft nicht mehr verwendet werden sollen. 

Seit 2013 wird etwa die Hälfte der Betriebsfläche in Eigenregie bejagt, wo jetzt 15-20 Rehe pro 100 ha erlegt werden, im Gegensatz zu den etwa 5 in den verpachteten Jagdbezirken. Herr Geiger hält dies für ganz wesentlich für den Verjüngungserfolg. 

Allerdings habe ich ja auch schon gestern ähnliche Bilder gesehen. Für die Verjüngung der Buche ist Jagd hier sicher nicht der entscheidende Faktor und auch Tannennaturverjüngung sehe ich recht häufig. 

Zur Einbringung der Tanne meint Herr Geiger übrigens, dass man diese in Bereiche mit schon dichter Fichtennaturverjüngung pflanzen sollte, da sie dort nicht so leicht von den Rehen gefunden und verbissen würden…

Der Forstbetrieb betreut auch den Privatwald im städtischen Bereich und kauft in einigem Umfang solche Flächen auf, was sehr sinnvoll ist, bei den oft winzig kleinen Privatwaldflächen. 

Nachdem wir uns verabschiedet haben, erscheint bald Joachim Zeeh, der den Artikel in der Stuttgarter Zeitung gelesen hat und seitdem meinen Blog verfolgt. Joachim kommt aus Ludwigsburg und wandert ebenfalls sehr gerne. 

Zunächst laufen wir auf Radwegen und am Straßenrand nach Tuttlingen, wo ich einige Lebensmittel einkaufe. Dieser Abschnitt war nicht sehr schön, dafür gelangen wir dann bald auf den HW 1, den Albrandnordweg, der dem Verlauf des Steilabfalls der Schwäbischen Alb folgt. Stellenweise wandern wir hier über schöne Pfade, schauen in die Bettelmannhöhle und genießen die Aussicht bis zu den Schweizer Alpen. Ein großer Waldabschnitt wurde gerade frisch durchforstet, natürlich mit dem Harvester im 20 m Rückegassenabstand, wie dies ja leider vielerorts noch der Standard ist. Maschinengerechter Wald, zerrissen und mit verdichteten Böden. Eigentlich sollte so etwas jedem Förster ein Graus sein, aber wenn sich etwas erst einmal als Standard etabliert hat, ist es schwer dagegen zu steuern.

 Um diese Zeit Fichten zu fällen, ist ziemlich riskant, denn wenn sie nicht rechtzeitig aus dem Wald gefahren werden, sind sie willkommene Brutstätten für Borkenkäfer…

Schließlich verabschieden wir uns und Joachim fährt mit der Bahn zurück.

Es ist ziemlich windig und tröpfelt, daher steuere ich eine Hütte oberhalb eines Steinbruchs an. Doch zuvor spricht mich ein älterer Mann vor seinem Haus an und füllt dankenswerter Weise meine Wasserflasche auf. 

Die Schutzhütte an einem Asphaltweg gefällt mir überhaupt nicht, immerhin kann ich das Tarp als Wind und Regenschutz vor den Eingang hängen. 

Ich hoffe die Nacht wird nicht allzu stürmisch und nass…


Hubert Geiger praktiziert seit 30 Jahren naturgemäße Waldwirtschaft im Stadtwald Tuttlingen


Es werden nurvwenige Tannen gepflanzt


Wir gelangen auf den HW 1


Mischwald im Tuttlinger Stadtwald



Frisch durchforstet


Der Blick reicht zu den Schweizer Alpen


Bettelmannhöhle


Ein interessanter Ort


Auf schönen Pfaden


Erstaufforstung – Leider mit vielen Fichten…


Immerhin habe ich hier etwas Schutz…



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2 Gedanken zu „4.5.2021 Tag 66 Naturgemäße Waldwirtschaft im Stadtwald Tuttlingen

  • 5. Mai 2021 um 10:44
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    Moin Gerald.
    Es ist zu beobachten das Deine Begeisterung, entsprechend Deiner Headline, für den Wald in seiner von Dir vorgefundenen Vielfalt wächst.
    Ich würde aber mal denken, dass Du Dir doch bessere Wetterverhältnisse gerne gewünscht hättest. Der kälteste April seit 40 Jahre!
    Was solls, seis drum, dem Wald nützt es!
    VG

    Antwort
  • 6. Mai 2021 um 6:37
    Permalink

    Hi Werner, ja, es könnte wärmer sein, aber so verlängert sich das Frühjahr noch…

    Antwort

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