30.06.2021 Tag 113 Licht und Schatten im Spessart

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Bereits gegen 5:30 breche ich auf. Überall fließt noch das Wasser des Gewitters in den Gräben und teilweise auch auf den Wegen. Schade, es wäre gut, wenn jeder Tropfen des kostbaren Nass im Wald bleiben würde!

Ich folge zunächst dem Spessartweg 1 auf recht schönen Pfaden. Vielerorts sind die Buchenkronen deutlich geschädigt, wie immer hauptsächlich an Rändern und in aufgelichteteten Altbeständen. Ich laufe durch ein großes, frisches Einschlaggebiet. Selbst bei den heute, stark aufgeweichten Böden fährt ein Rückezug das Holz aus dem Bestand. Obwohl die Sandböden hier nicht sehr empfindlich sind, entstehen doch deutliche Spuren. Bei solchen Verhältnissen solllten die Arbeiten erst mal eingestellt werden! Aber offenbar genießt wie leider so häufig, der Bodenschutz hier keine große Priorität…

Am Rand von Krommenthal erklärt eine Tafel die alten Waldnutzungen im Spessart. Noch bis etwa 1950 war das hier eine bitterarme Gegend, selbst dünne Äste aus dem Wald waren für die Bevölkerung sehr wichtig. 

Hier an der ICE- Strecke ist der Handyempfang sehr gut, daher gelingt das Radiointerview mit BR 1 Moderatorin Nadine Hauk ohne Probleme. Zu meiner Freude stellt Frau Hauk auch viele Fragen zum Waldzustand und nicht wie so häufig überwiegend zum Drum und Dran meiner Wanderung. 

Durch das 350 ha große NSG Spessartwiesen gelange ich nach Heigenbrücken, wo ich mich mit Michael Kunkel und seinem Bruder Joachim von den Freunden des Spessarts treffe. Die Brüder sind schon seit ewigen Zeiten dem Wald eng verbunden und verfügen über ein ungeheures Wissen, dass sie in ihr Engagement für den Spessart einbringen. Schon seit langem fordern die Freunde des Spessarts die Einrichtung eines Nationalparks im hiesigen Staatswald im Umfang von 10.000 ha. Dazu muss man wissen, dass die gesamte Waldfäche im bayerischen Spessart 108.000 ha umfasst, von denen 42.000 ha im Staatsbesitz sind. 10.000 ha sind da eine sehr moderate Größe, wie man unschwer sieht. Obwohl der Anteil des Spessarts an der Waldfäche Bayerns nur etwa 4 % umfasst, stehen über 20 % der alten Waldbestände über 160 hier, und auch der Anteil der sehr alten Bestände ist sehr hoch. Es gibt hier einige Naturschutzgebiete mit teilweise über 400-jährigen Eichen und einer einmaligen Artenaustattung, dennoch stehen bisher keine 5 % der Staatswaldfläche unter irgendeinem Schutz. Das dieser aber bitter nötig wäre, wird mir dann später noch gezeigt. Doch zunächst schaue ich mir mit den Kunkel Brüdern, sowie Joachim Eich und Dr. Bernd Kempf, dem Vorsitzenden der „Freunde“ das Naturschutzgebiet Metzgergraben/ Krone an. Ein fantastischer Wald, der auf etwa 14 Hektar, seit 1928 Naturschutzgebiet ist. Nichts desto trotz sind hier noch zahlreiche Stümpfe alter Eichen zu sehen. Offenbar war der Schutz nie wirklich umfassend, so dass immer wieder einzelne der riesigen alten Eichen gefällt wurden. Das ist sehr bedauerlich, während es 1840 noch über 5000 Hektar mit über 300-jährigen Alteichen im Spessart gab, sind es heute nur noch etwa 300 Hektar. Die Eichen sind der ganze Stolz des Spessarts, sehr verwunderlich, dass man nur noch wenige der alten Baumgiganten  erhalten hat. 

Wie hier heute noch Forstwirtschaft betrieben wird, zeigen mir die Freunde des Spessarts dann bei Weibersbrunn. Hier wurde ein alter Buchenbestand auf 1,5 ha so stark aufgelichtet, dass man nur noch 12 Bäume hat stehen lassen. Das Kronenmaterial wurde dann nach dem Kahlschlag komplett abgeschoben und Reihen für die Eichensaat auf der ganzen Fläche eingepflügt. Das heißt, alles Astholz wurde entfernt und die ganze Fläche befahren. Solche Flächen wurden hier im letzten Jahr insgesamt im Umfang von 28 Hektar angelegt. Die Saatflächen sind meist nach Südwesten exponiert, und setzen daher die entstandenen Ränder stark der Sonne aus. Kein Wunder, dass die Kronenschäden in der Buche im Spessart so hoch sind! Eigentlich sind Kahlschläge in Deutschland überall verboten, aber was hier unter dem Deckmantel der Eichennachzucht gemacht wird, ist nichts anderes! Das man die Eichen auch im Spessart durchaus kleinflächiger verjüngen kann, hatte ich ja gestern eindrucksvoll im Stadtwald Lohr gesehen!

Ausserdem ist der Hochspessart eines der wichtigsten europäischen Schutzgebiete (FFH) zum Schutz des Buchenwalds. Unglaublich, wie dieser durch die großflächigen Auflichtungen für die Eichennachzucht mit Füßen getreten wird. Mittlerweile gibt es Präzedenzurteile, nach denen auch die Forstwirtschaft bei Maßnahmen in FFH- Gebieten Umweltverträglichkeitsprüfungen durchführen muss. Das Ergebnis kann nur sein, dass die Praxis der starken Buchenauflichtungen eingestellt werden muss, zumal es viele Fichtenkalamitätsfllächen im Spessart gibt, die sich für die Neuanlage von Eichenwald anbieten!

Anschließend sehen wir uns den Heisterblock an, das größte noch bestehende Gebiet mit alten Eichen im Spessart. Von den ursprünglich 500 Hektar sind lediglich 300 ha übergeblieben, und auch in diesen dominiert jetzt die Buche bei weitem. Nicht etwa, weil sie die Eiche verdrängt hat, wie gerne behauptet wird, sondern weil so viele Alteichen gefällt wurden!

Nichts desto Trotz gibt es hier immer noch sehr eindrucksvolle Baumindividuen. 

Im Naturschutzgebiet Rohrberg bestreite ich dann ein längeres Interview mit Herrn Schwind vom Mainecho, bevor wir uns dann das Naturschutzgebiet anschauen. Es umfasst lediglich 12 ha Fläche, ist aber sehr beeindruckend, mit enorm viel starkem Totholz. Daher ist es auch kein Wunder, dass wir hier so seltene Pilze wie Schwefelporling, Austernseitling und Mosaikschichtpilz entdecken. Unglaublich, dass trotz der geringen Größe dieses Naturschutzgebiets unmittelbar benachbart gerade ein Buchenbestand zur Eichensaat stark aufgelichtet wurde, und damit der Rand zum NSG geöffnet wurde. Starke Auswirkungen auf den Altbestand sind zu befürchten. 

Während ich den Eindruck hatte, dass der Forstbetrieb im Steigerwald ernsthaft versucht, den anvertrauten Wald vorsichtig unter Berücksichtigung der Naturschutzaspekte zu bewirtschaften, scheint dass hier überhaupt nicht der Fall zu sein. Ein Ende der Kahlschlagpraxis ist unbedingt zu fordern und die noch verbliebenen Altwaldreste müssen konsequent geschützt werden und zwar nicht als Flickenteppich, sondern mit großzügiger Arrondierung um die Randeffekte zu minimieren! 

Später, als wir wieder in Heigenbrücken sind, darf ich dann die tolle Gastfreundschaft der Kunkels genießen. 

Ein nasser Morgen
Kronenschäden sind häufig in stark aufgelichteten Beständen
Bei solchen Verhältnissen sollten keine Maschinen im Wald fahren!
Typische Schäden an den Rückegassen
Schlammschlacht
Alte Waldnutzungen
NSG Spessartwiesen
Naturschutzgebiet Metzger/Krone
Unterwegs mit den Freunden des Spessarts
Totholz ist wichtig!
Gigantische Eichen wurden gefällt
Beeindruckende Buchen
1,5 ha aufgelichteter Buchenbestand zur Eichensaat
Der Bestand war so vital wie dieser!
Im Heisterblock
Es gibt noch immer tolle Bäume hier!
Hier standen überall gigantische Eichen
Schwefelporling
Es gibt auch größere Lücken
Tolle Habitatbäume
Tolle Baumindividuen
Mosaikschichtpilz
faszinierende Waldbilder
Kahlschlag unmittelbar an der Grenze zum wertvollsten Naturschutzgebiet Rohrberg
Austernseitling
Buchenwaldzerstörung
Fast völlig zersetzte Eiche

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4 Gedanken zu „30.06.2021 Tag 113 Licht und Schatten im Spessart

  • 1. Juli 2021 um 10:13
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    Lieber Gerald, im Namen der Freunde des Spessarts bedanke ich mich für deinen Besuch in unserem Spessart. Unsere gemeinsame Wanderung und die vielen Diskussionen haben uns gezeigt, dass wir eine sehr ähnliche Sicht auf den Spessart haben: Der Spessartwald ist sehr wertvoll, sowohl seine alten Eichen wie auch seine alten Buchen. Angesichts der sich weiter zuspitzenden Klimakrise sollte unsere Waldbewirtschaftung schonender werden. Dh, ua. mehr Schutzgebiete, in denen die Natur das Sagen hat und nicht die Motorsäge. Mehr alte Bäume müssen stehenbleiben, so dass sie noch länger als Kohlenstoffspeicher dienen können. Von der positiven Auswirkung auf den Artenschutz ganz zu schweigen. Das schützende Kronendach des Waldes darf bei Fällungen nicht mehr so stark aufgerissen werden wie bisher, um das kühle Waldinnenklima zu erhalten. “Quasi-Kahlschläge” zur Anlage von Eichensaatflächen sollten deutlich kleiner ausfallen als die heute üblichen Größen von 1-2 Hektar. Im Stadtwald von Lohr wird vorgemacht wie das geht. Es gibt auch im Spessart genügend Nadelholz und Kalamitätsflächen für solche Einsaaten. Intakte alte Buchenwälder sollte man dafür nicht opfern.
    Noch viel Spaß und Erfolg bei deiner weiteren Wanderung! Bernd

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    • 1. Juli 2021 um 17:54
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      Vielen Dank lieber Bernd, mir hat es auch sehr gut mit euch gefallen!

      Antwort
  • 1. Juli 2021 um 11:00
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    Sehr informativ, vielen Dank für deinen Einsatz für den Wald! Weiterhin eine schöne Wanderung, ich lese den Blog gerne & regelmäßig.

    Antwort
    • 1. Juli 2021 um 17:53
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      Hallo Christine,,

      das lese ich gerne! Vielen Dank!

      Antwort

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