12.7.2021 Tag 125 Naturgemäße Waldwirtschaft im Mühlhäuser Stadtwald

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Die Nacht bleibt trocken und am Morgen kann ich es entspannt angehen lassen, da es nur noch wenige Kilometer bis zum Treffpunkt am Weißen Haus  im Mühlhäuser Stadtwald sind. Teilweise auf schmalen Pfaden laufe ich dann wieder durch die Laubwälder des Hainichs und treffe um 9 die beiden Revierförster des 3200 ha großen Stadtwalds, Ronny Dietzel und Peter Thoms. Der Wald wird bereits seit 1999 nach den Grundsätzen der ANW (Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft) bewirtschaftet. Die Förster bestätigen meinen bisherigen Eindruck, dass der Stadtwald überdurchschnittlich vorratsreich ist, und auch die derzeitige Erntemenge liegt unter dem Zuwachs. 

Zunächst schauen wir uns ein 22 ha großes Gelände an, wo im zweiten Weltkrieg Sprengstoffzünder hergestellt wurden. Nach dem Krieg wurden die Bunker gesprengt, ansonsten blieb das Gelände sich selbst überlassen und heute wächst dort ein toller Mischwald aus bestimmt zwanzig Baumarten in intensiver Mischung. Auch Eichen, und Aspen als Pionierbaumart sind dabei. Hier zeigt die Natur mal wieder eindrucksvoll, wie auch ohne Schutz vor Wildverbiss und pflegende Eingriffe ein schöner Wald entstehen kann. Trotz der sicher vorhandenen Konkurrenz der Baumarten untereinander, gedeihen nach wie vor die verschiedensten Spezies in unmittelbarer Nachbarschaft. 

Anschließend sehen wir uns Flächen an, auf denen das Eschentriebsterben grassiert, über das ich hier schon häufiger geschrieben habe. Etwa 10 % des  Stadtwalds werden von dieser Baumart eingenommen, die seit 2014 unter dem Pilz leidet. Nach Feststellung der beiden Förster sind auch Eschen mit lediglich schwachen Symptomen über kurz oder lang verloren, daher werden bei den Holzerntemaßnahmen in diesen Beständen die meisten Eschen entnommen. Das erscheint mir zunächst ziemlich krass, aber es handelt sich hier stets um Mischbestände, daher fallen die starken Entnahmen oft nicht sehr stark auf. Außerdem werden tatsächlich etwa 10 % der Eschen stehen gelassen, entweder weil sie noch vital erscheinen, oder aus technischen Gründen nicht erreicht werden können. Zwei Gründe sind nach Aussage der Förster ursächlich für dieses Vorgehen: Zum Einen soll so eine Entwertung der Eschen durch Befall mit Fäulepilzen verhindert werden. Immerhin handelt es sich um über 100.000 Kubikmeter Eschenholz, die einen erheblichen Wert für die Stadt darstellen, zum Anderen brechen die abgestorbenen Eschen relativ schnell zusammen, und machen so weitere Holzerntemaßnahmen in den Mischbeständen gefährlich bis unmöglich. Aber glücklicherweise wird die Esche hier nicht austerben, denn in der Verjüngung ist die Baumart reichlich vorhanden und die alten Eschen sind bisher deutlich weniger befallen. In jedem Fall halte ich es für äußerst wichtig, dass jederzeit noch ausreichend ältere Eschen vorhanden sind, um den auf sie angewiesenen Arten den Lebensraum nicht komplett zu entziehen. 

Teilweise wird in diesen Beständen auch mit dem Harvester gearbeitet, allerdings bei einem Rückegassenabstand von 40 Metern, statt der üblichen 20. Die nicht erreichbaren Bäume werden dann von Arbeitern mit der Motorsäge gefällt, und mit Rückepferden an die Fahrspuren vorgelliefert. Natürlich sind die Kosten dann etwas höher, aber gerade auf den wie ich ja schon gesehen habe, ziemlich empfindlichen Böden hier, muss eine zu starke Befahrung vermieden werden. 

Generell spielt der Naturschutz im Betrieb eine große Rolle, so wurden hier auch schon Biotopbäume bewusst aus der Nutzung genommen, bevor es eine finanzielle Förderung hiefür gab. 200-300 Bäume werden derzeit in jedem Jahr als Biotopbäume zum dauerhaften Verbleib im Wald markiert. 

Es gibt noch relativ viele alte Eichen, Relikte aus der früheren Mittelwaldnutzung und wir sehen eine wohl 400 Jahre alte Hainbuche, die sogenannte Korpusbuche. 

Ein großer Teil des Waldes ist lediglich zwischen 60 und 90 Jahren alt, es gibt aber auch etwa 500 ha, mit plenterartigen, ungleichaltrigen Strukturen. 

In jedem Fall ist es den Förstern wichtig einen „Dauerwald“ zu bewirtschaften. So werden auch in den alten Beständen mindestens 100 Kubikmeter Holz pro Hektar nicht genutzt. Die entsprechenden Bäume dürfen ihr natürliches Alter erreichen, und werden irgendwann ökologisch wichtiges Totholz. 

Wieder einmal geht die Zeit viel zu schnell um und ich muss schließlich weiter wandern. 

An vielen Stellen gibt es hier noch sehr alte, dicke Bäume, eine tolle Ergänzung zum Nationalpark, der weiter südlich anschließt und den ich morgen besuchen werde. Am Ostrand des Hainich gab es aber auch eine ganze Reihe von Fichtenbeständen, die inzwischen größtenteils abgestorben sind und wahrscheinlich in Zukunft wieder überwiegend Laubbäume tragen werden. Während der Wald am Ostrand noch zahlreiche Baumarten wie Linden, Elsbeeren und Ahorne beherbergt, dominiert auf der Höhe am Rennstieg die Buche, auch wenn die Mischbaumarten nie völlig verschwinden. Auch hier gibt es Kronenschäden, aber ebenso wie im Stadtwald Mühlhausen wirkt der Wald als Ganzes noch vital. So hatten mir auch die Förster gesagt, dass sie sich keine allzu großen Sorgen um ihren Wald machen. Ich genieße die ersten Himbeeren und schlage schließlich mein Freiluftlager in einem schönen, ungleichaltrigen Wald auf. 

Durch den Hainich
Ökologisches Gold
22 ha natürliche Waldentwicklung
Einzelne frisch abgestorbene Buchen
Hier wurden die meisten Eschen wegen Pilzbefall gefällt
Tote Eschen brechen rasch um
Eine erstaunliche Hainbuche
Ronny Dietzel und Peter Thoms vom Stadtwald Mühlhausen
Viele mittelalte Bestände
Erkrankte Eschen
Junge Eschen
500 ha ungleichartige Bestände
Leckere Himbeeren
Viele alte Bäume
Schöne Pfade
Kronenschäden der Buche

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4 Gedanken zu „12.7.2021 Tag 125 Naturgemäße Waldwirtschaft im Mühlhäuser Stadtwald

  • 14. Juli 2021 um 10:43
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    Ein großartiger Beitrag zum Hainich! Viele Facetten rund um die Natur aber auch das Management dieses Nationalparks werden wissensreich angerissen. Vielen Dank! Ich wünsche weiterhin eine gute Reise.

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    • 14. Juli 2021 um 19:21
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      Danke für den netten Kommentar! Schön, dass Ihnen mein Beitrag zum Nationalpark gefallen hat! Heute geht es damit noch etwas weiter…

      Antwort
  • 17. Juli 2021 um 9:02
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    Beim Lesen dieses Beitrags habe ich einmal mehr gestaunt über die Schätze, die wir hier vor unserer Mühlhäuser Haustür bestaunen können. Es ist schön, anhand dieser Beispiele zu sehen, wie sich (kommunale) Forstwirtschaft und Naturschutz durchaus vereinen lassen.

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    • 17. Juli 2021 um 21:36
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      Ohne Zweifel ist das möglich, was ich auch in vielen Betrieben schon gesehen habe. Leider gibt es aber ebenso nach wie vor genügend Negativbeispiele.

      Antwort

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