Forstwirtschaft am Scheideweg

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                                                     Forstwirtschaft am Scheideweg

Zur Zeit wird klar, dass die Forstwirtschaft in Deutschland an einem Scheideweg steht. Durch den borkenkäferbedingten, weitgehenden Verlust der bisherigen “Brotbaumart” Fichte, die oft einen Großteil der wirtschaftlichen Erträge gebracht hat, wird klar, dass viele Betriebe, ob Privat oder Öffentlich, ihr bisheriges Geschäftsmodell, was auf Erlösen aus dem Holzverkauf basiert, nicht mehr fortsetzen können. Gleichzeitig wird die globale Bedeutung der Wälder in Bezug auf den Klimawandel immer deutlicher. Im Zusammenhang mit diesem Spannungsfeld werden zwei deutlich unterschiedliche Strategien klar erkennbar:


Die meisten Vertreter der herkömmlichen Forstwirtschaft wollen in abgewandelter Form so weiter machen wie bisher: Wenn das Holz der vielen abgestorbenen Fichtenbestände nicht mehr von der europäischen Holzindustrie verarbeitet werden kann, exportiert man eben nach China, zu Preisen, die die Kosten der  Aufarbeitung des Holzes gerade so decken. Dabei ignoriert man, dass auch die toten Bäume wichtige Funktionen für das Waldökosystem haben, wie beschattende Wirkung, Herstellung von Windruhe, Speicherung von Wasser und bei ihrem Zerfall Aufbau von Humus. Dagegen herrschen auf den vom Holz geräumten Kahlflächen steppenartige Verhältnisse, mit Bedingungen, die eine Wiederbewaldung häufig deutlich erschweren werden.


                                                            Geräumte Borkenkäferfläche

Da ja die Fichte, als bisher wichtigster Baum für die Holzindustrie, in großem Umfang ausfällt, wird die großflächige Pflanzung nicht einheimischer Baumarten wie Douglasie und Küstentanne propagiert. Offiziell wird dabei stets betont, dass das nur in Mischung mit anderen Baumarten geschehen soll. Wie die Wiederbewaldung nach dem Sturm Kyrill, 2007 gezeigt hat, sind das aber oft nur Lippenbekenntnisse.

Um eine Risikostreuung zu gewährleisten, sollen zukünftig auch viele weitere angeblich “klimatolerante” Baumarten mit angepflanzt werden,  unter anderem Exoten wie Atlaszeder, Hemlockstanne und Tulpenbaum. In auf wenige Jahre angelegten Forschungsprojekten soll geklärt werden, wie weit diese Baumarten sich in die einheimischen Ökosysteme integrieren lassen. Da Bäume sehr lange leben, und eventuelle Probleme erst nach Jahrzehnten sichtbar werden, ist wohl auch dem Laien klar, welches Risiko eine solche Strategie birgt…

Jahrzehnte lang wurde im Wald im Gegensatz zur Landwirtschaft praktisch kein Gift eingesetzt. Das hat sich in den letzten drei Jahren drastisch geändert. Um der Borkenkäferplage Herr zu werden, wurden in großem Umfang Pestizide eingesetzt, die auch alle anderen Insekten töten, die mit ihnen Kontakt haben. Damit hat man zwar gegen die Borkenkäfer nichts ausrichten können, aber die Hauptursache für das Insektensterben in der offenen Landschaft wurde nun auch in den Wald getragen. 

Vielerorts wurden auch die Buchenbestände durch die Trockenheit geschwächt. Die Buche als Schatten liebende Baumart mit dünner Rinde reagiert besonders empfindlich auf Auflichtungen durch stärkeren Holzeinschlag. In dieser Situation sollte man meinen, dass alles getan wird, um eine weitere Destabilisierung zu vermeiden. Leider ist oft das Gegenteil der Fall: Um einer mögliche Holzentwertung der kranken Bäume durch Pilzbefall zuvor zu kommen, werden sie häufig gefällt, was für den verbleibenden Bestand ein hohes Risiko bedeutet. 

Die Politik hat zwar erkannt, in welcher schwierigen Lage sich die Forstwirtschaft befindet, statt aber gezielte Förderungen für eine klima- und naturgerechte Waldbewirtschaftung zu gewähren, wird  das Geld ohne Auflagen über die Fläche verteilt, oder es wird gar das Abräumen der toten Fichten gefördert, und damit die Entstehung von Kahlflächen!


Wie sollte eine Forstwirtschaft aussehen, die die vom Klimawandel ausgehenden Risiken möglichst minimiert und ihrerseits Wälder aufbaut, die einen hohen Beitrag zur Stabilisierung des Klimas leistet?


1. Die abgestorbenen Fichtenbestände werden nicht geräumt. Unter ihnen wird sich eine natürliche Verjüngung aus Pionierbaumarten wie Birken, Aspen und Weiden einstellen, in deren Schutz dann auch andere Baumarten hochwachsen können. Pflanzungen werden nur punktuell vorgenommen, zum Beispiel dort wo sich ansonsten wieder ein reiner Fichtenwald bilden würde, oder um Lichtbaumarten wie die Eiche einzubringen. Nicht einheimische Baumarten wie die Douglasie werden ebenfalls nur punktuell und nie auf ganzer Fläche eingebracht.


                                          Tote Fichten stehen lassen!


2. Dichte, schattige Waldbestände sind weniger anfällig für Dürreperioden und leisten durch natürliche Kühlung einen hervorragenden Beitrag zur Stabilisierung des lokalen Klimas. Dabei kommt Laubbäumen, insbesondere der Buche, eine besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig können Wälder mit einem hohen Holzvorrat und gut entwickelter Humusschicht einen wichtigen Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung leisten. Um den Holzvorrat aufzubauen, soll deutlich weniger Holz geerntet werden, als bisher. 


                                            Dichte, vorratsreiche Mischbestände fördern!

Zwar ist Holz ein potenziell nachhaltiger Rohstoff, der andere weniger klimafreundliche Materialien wie Stahl teilweise ersetzen kann. Allerdings wird zur Zeit der größte Teil des geernteten Holzes nach relativ kurzer Zeit verbrannt und damit der gespeicherte Kohlenstoff frei gesetzt. Zwar wird die so frei gesetzte Menge an Kohlendioxid im nachwachsenden Holz dann irgendwann wieder gebunden, aber da wir es bei der Klimakrise vor allem mit einer zeitlichen Dimension zu tun haben, sollte die Menge des aktuell frei gesetzten Kohlenstoffs möglichst gering sein. Unter dieser Maßgabe ist die Holzverbrennung kontraproduktiv. Daher sollte ein möglichst hoher Teil des geernteten Holzes in wirklich langlebigen Produkten verwendet werden. Wenn das umgesetzt wird, ist es auch möglich, die Gesamtmenge des geernteten Holzes zu verringern.

Um die Waldbesitzer für die so entgangenen Holzerlöse zu entschädigen, muss die Gesellschaft den Aufbau vorratsreicher Wälder die überwiegend aus einheimischen Laubbäumen bestehen, gezielt fördern!

3. Eigentlich weiß man schon seit den Anfängen der Forstwirtschaft wie wichtig der Boden als Wachstumsgrundlage des Waldes ist. Dennoch wird dies bei der modernen Bewirtschaftung durch Großmaschinen weitgehend ignoriert. Bei der üblichen Befahrung auf Rückegassen im 20 Meter Abstand werden wenigstens 20 % des Waldbodens stark geschädigt, mit noch gar nicht verstandenen Auswirkungen auf das so wichtige Bodenleben. Diese Praxis muss aufhören! Rückegassen sind zwar in gewissem Umfang bei der Bewirtschaftung notwendig, ihr Abstand darf aber 40 Meter nicht unterschreiten. Die Mehrkosten bei der Holzernte sollten den Waldbesitzern durch die Gesellschaft erstattet werden!


                                                    Boden schonen!

4. Alte, unbewirtschaftete Wälder sind besonders vorratsreich und dicht, und leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des lokalen Klimas. Ausserdem sind sie unter Anderem durch Dimension und Menge des Totholzes besonders wichtig für die Artenvielfalt. In manchen Bundesländern, wie Hessen, sind bereits 10 % des Staatswaldes aus der Nutzung genommen worden. Um dieses Ziel auch im Kommunal- und Privatwald zu erreichen, sollte es von der Gesellschaft gefördert werden!


                                                  Altwälder schützen!

5. Auch im bewirtschafteten Wald müssen Elemente des Naturwaldes wie Totholz und Bäume erhalten werden, die ihr natürliches Alter erreichen dürfen. Diese Elemente sind von großer Bedeutung als Trittsteine in einem Biotopverbund, der so die unbewirtschafteten “Urwälder von morgen” miteinander verbindet. Auch für diese “Ökosystemleistung” ist eine Honorierung durch die Gesellschaft möglich.


                                                   Totholz erhalten!

6. Durch die günstigen Verhältnisse in der Kulturlandschaft haben sich Rehe, aber mancherorts auch Hirsche und Muffelschafe stark vermehrt und erschweren durch das Fressen der Knospen junger Bäume die Verjüngung des Waldes. Zwar ist dieses Problem seit Jahrzehnten bekannt, aber dennoch hat sich hier bisher wenig geändert. Es bedarf mehr Forschung und neuer Strategien um diesen wichtigen Faktor für die Entwicklung stabiler Wälder entscheidend zu beeinflussen.


    Junge Eichen können oft nicht ohne Schutz vor Verbiss gedeihen

7. Bei einer Landwirtschaft die weniger auf Fleisch- und Biomasseproduktion ausgerichtet ist als bisher, stehen in Deutschland potenziell große Flächen für die Aufforstung bisher unbewaldeter Flächen zur Verfügung. Diese könnten einen wichtigen Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung und zur Stabilisierung des lokalen Klimas beitragen. Dabei sollten aber keine Plantagen aus schnell wachsenden Baumarten gefördert werden, sondern nur wirkliche zukünftige Wälder, überwiegend aus einheimischen Laubbaumarten.


Die derzeitige Krise bringt teilweise auch Vertreter der herkömmlichen Bewirtschaftung zum Nachdenken. Es wäre schön, wenn hieraus tatsächlich eine natur- und klimagerechtere Bewirtschaftung entstehen würde!









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