6.6.2021 Tag 91 In den Nationalpark Bayerischer Wald

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Obwohl es in der Nacht heftig gewittert, bleibt es bei mir trocken. In dunstigem Waschküchenwetter, das bald in Nieseln übergeht, bin ich schon früh wieder unterwegs. Der Wald hier wird offenbar plenterartig bewirtschaftet. An den vielen dicken Tannen und Buchen kann ich mich kaum satt sehen, aber auch die Buche ist immer mit dabei, toll!

Hinter Mauth gelange ich in den Nationalpark Bayerischer Wald, wo ich mich am Parkplatz Sandriegel mit Astrid, Christian und Rainer treffe, die meiner Einladung zum ersten sonntäglichen Spaziergang des Waldbegeisterungsprojekts gefolgt sind. Die Drei wandern viel und nehmen gerne meinem Vorschlag an, auf den Lusen zu wandern. Zunächst folgen wir dem Lauf des Reschbachs. Hier am Rand des Nationalparks werden auch nach 50 Jahren immer noch vom Borkenkäfer befallene Fichten gefällt und größtenteils an eine Waldstraße gerückt. Dieses „Borkenkäfermanagement“ geschieht zum Schutz von an den Nationalpark grenzenden Fichtenbeständen vor Infektion. Mit diesem Handeln sind natürlich gravierende ökologische Folgen verbunden, von der Befahrung der Waldböden, der Entnahme des Holzes aus dem Kreislauf der Natur, der Unterhaltung von Wirtschaftswegen, die ansonsten aufgegeben werden könnten, bis zum Erkranken von Buchen, deren Kronen häufig aufgrund der abrupten Freistellung absterben. Etwas besser ist das hier ebenfalls praktizierte, teilweise abschälen der gefällten Fichten, wodurch die Borkenkäferbrut vernichtet wird, ohne das Holz aus dem Wald zu fahren. Aber grundsätzlich stellt sich die Frage, ob so ein „Management“ so lange nach Gründung des Parks noch statthaft ist. Selbstverständlich wurden damals Kompromisse geschlossen, um den Nationalpark überhaupt einrichten zu können, aber sollte es heute nicht möglich sein, mit den Anrainern Vereinbarungen zu schließen, die das Fällen im Park beenden würden? Ein Beispiel, das das möglich ist, ist die Ablösung alter Weiderechte zum Schutz des Bergwalds im Alpenraum. Natürlich würde so etwas Geld kosten, aber ich möchte nicht wissen, wieviel für das „Borkenkäfermanagement“ aufgewendet wird…

An der Reschbachhütte essen wir von Astrid mitgebrachte Muffins und trinken Kaffee, anschließend geht es recht steil bergauf. Hier war der Wald auf Grund der Borkenkäferkalamität in den 90’er Jahren großflächig abgestorben, hat sich aber grandios erholt. Auch die nächste Generation in der Höhe über 1100 Meter besteht überwiegend aus Fichten, die aber viel lockerer wachsen, als in einem gepflanzten Wald und viel Raum beispielsweise für Ebereschen lassen. An der tschechischen Grenze erinnert ein Schild an den Nationalpark Šumava auf der anderen Seite, der doppelt so groß ist wie der Deutsche! Ein für mitteleuropäische Verhältnisse riesiges, sich entwickelndes Wildnisgebiet!

Vor dem Gipfel wachsen Latschen wie in den Alpen. Leider ist es zu neblig für einen Ausblick, der ansonsten grandios wäre, denn hier oben gibt es eine große, kahle Blockschutthalde. Nachdem wir noch Fotos und Videos aufgenommen haben, setze ich meinen Weg alleine fort. Obwohl heute Sonntag ist, begegnen mir nur zweimal Leute!

Das erste Stück führt steil bergab über die Himmelsleiter, die teilweise treppenartig aus dem Blockschutt geformt wurde. 

An der Glasarche, einem Monument für den grenzüberschreitenden Park, erreiche ich den Weg, auf dem ich schon mit dem Filmteam war. Hinter dem Teufelsloch wandele ich dagegen wieder auf neuen Wegen. Der tolle Pfad führt relativ flach durch den Bergmischwald, der sehr stark von der Buche dominiert wird. Das ist sehr deutlich im Vergleich zu den umliegenden Wirtschaftswäldern, und eine Folge der Entwicklung der letzten 50 Jahre zu Lasten der Fichte. Diese ist zwar stark zurückgegangen, aber sowohl als Altbaum als auch in der jungen Generation noch vertreten. Leider gibt es kaum alte Weißtannen, daher fehlt auch der Nachwuchs dieser eigentlich für den Bergmischwald so typischen Baumart. Dann und wann tauchen Bergahorne auf, und ich sehe sogar eine Fichte. 

Die meisten Buchen sind erst im mittleren Alter, dennoch gibt es an vielen Stellen schon Nachwuchs diese Baumart, der unter dem dichten Schirm der Elterngeneration langsam hochwächst. Kein Vergleich zu den häufig praktizierten, starken Auflichtungen im Wirtschaftswald. Auch wenn dies kein Urwald ist, kann man schon sagen, dass ein natürlicher Buchenwald dicht und vorratsreich ist, sich die Verjüngung trotzdem etablieren kann, und dann hochwächst, wenn sich eine größere Lücke ergibt. So entsteht langsam ein Mosaik aus verschiedenen Altern und Wuchsstadien. Diese Entwicklung ist in Ansätzen schon jetzt im Nationalpark zu beobachten. Insgesamt wirkt der Wald sehr vielfältig. Der heutige Regentag passt sehr gut zu diesem Ökosystem, da er den geschlossenen, schattigen, feuchten Charakter des Bergwaldes gut betont. Einmal sehe ich sogar kurz ein Stück Rotwild im Dickicht, kein Wunder, da bei dem Wetter offenbar niemand sonst unterwegs ist. Schließlich wird der Regen unangenehm heftig und ich suche Schutz. 


Plenterartig bewirtschafteter Wald

Viele dicke Bäume


Starke Kumpels


“Borkenkäfermanagement”

Zerfahrene Wege mit tiefen Spuren


Durch die Entnahme der Fichten freigestellte Buchen sterben häufig ab


Befestigung von Rückwegen im Nationalpark!


Mittagspause



Auch bei Regen ist der Wald schön



An der Grenze


Auf dem Lusen


Abstieg über die Himmelsleiter


Der Wald ist zurück!


Die Farne entrollen sich erst gerade


Hier blühen noch die Buschwindröschen


Tafel zur Waldentwicklung nach der Borkenkäfermassenvermehrung


Auf dem Goldsteig


Soldanellen


Grüner Tunnel



Die Buche dominiert


Unter den toten Fichten kommt neuer Wald


Spätfrost


Mulm entsteht durch Holzzersetzung


Bergmischwald


Die Salweide gehört auch dazu



Leuchtende Felsen


Die Verjüngung wächst hoch, wenn sich eine Lücke öffnet


Ahorne gehören auch zum Bergmischwald


Die Fichte war auf einem Baumstumpf gekeimt


Es gibt leider nur wenige Tannen


Solche Bäume wären im Wirtschaftswald längst weg


Wahrscheinlich vom Rotwild freigehaltene Lichtung


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Ein Gedanke zu „6.6.2021 Tag 91 In den Nationalpark Bayerischer Wald

  • 7. Juni 2021 um 8:27
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    Danke für den phantastischen Tag und viel Erfolg weiterhin!
    Herzliche Grüße von deinen Wanderbegleitern Astrid, Christian und Rainer

    Antwort

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