4.10.2021Tag 201 Mit Dr. Lutz Fähser und dem NDR im Lübecker Stadtwald

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Ich habe mich bereits in der Hütte zum Schlafen hingelegt, als Dr. Lutz Fähser noch vorbei kommt, der seit 1986 22 Jahre Forstamtsleiter in Lübeck war. Bei Kerzenschein und einem Bier kommen wir rasch ins Gespräch. Selbstverständlich interessiert mich, warum Lutz schon sehr rasch zu Beginn seiner Forstlaufbahn erkannt hatte, dass eine naturnahe Waldnutzung intensiveren Methoden überlegen ist. Das lag an drei Faktoren: Der Bekanntschaft mit Herrn von Arnswald, einem bedeutenden Exponenten der naturgemäßen Waldwirtschaft, der damaligen Zeitströmung, die der Ökologie endlich wichtige Bedeutung zumaß, aber auch vor allem seiner Beschäftigung mit forstlicher Betriebswirtschaft in der er auch promovierte. 

Nach beruflichen Stationen als Forstamtsleiter in Hessen, im Großprivatwald und der Entwicklungszusammenarbeit in Brasilien ging er 1986 nach Lübeck,  wo sich der Senat entschieden hatte, die städtischen Wälder in Zukunft naturnah zu behandeln und er das entsprechende Konzept entwickeln durfte. Dieses wurde dann 1994 formuliert und gleich von Umweltorganisationen wie Greenpeace, BUND, WWF und Robin Wood aufgegriffen und erreichte dadurch sehr rasch hohe Bekanntheit. 

Wie immer bei solch revolutionären Modellen gab es erheblichen Widerstand, wie zu erwarten natürlich vor allem aus konventionell arbeitenden Forstkreisen, aber auch von Seiten der ANW, die zwar in vielen Bereichen gleich vorgeht, es aber auch große Unterschiede gibt. Dennoch gelang es den Lübeckern ihr Konzept durchzuhalten, vor allem da die politische Unterstützung gegeben war, aber auch das Vorgehen von Anfang an sehr akribisch dokumentiert und wissenschaftlich begleitet wurde. 

Am nächsten Morgen frühstücke ich mit Lutz und seiner Frau Gwen und anschließend gehen wir in den nahen, 600 Hektar großen Ritzerauer Wald, der zum Stadtwald Lübeck gehört. Oft wird behauptet, dass das Lübecker Modell nur funktionieren würde, da das Forstamt eine besonders gute Ausstattung mit alten, wertvollen Bäumen geerbt hat. Hierzu muss man sagen, dass der Vorrat mit 290 Kubikmetern/ ha bei Amtsantritt von Lutz Fähser sogar leicht unterdurchschnittlich war und die Einnahmen lange Zeit nicht überwiegend aus der Ernte von Starkholz kamen, sondern aus den starken Eingriffen in die Nadelbaumbestände, mit denen diese zu Mischwäldern entwickelt werden sollten. Inzwischen liegt der Vorrat bei 470 Kubikmetern was erheblich mehr als der deutsche Durchschnitt von etwa 300 Kubikmetern pro Hektar ist. Dieser Erhöhung der Holzmasse, die ja auch ganz entscheidend für Naturnähe und Klimaschutzwirkung ist, kam dadurch zustande, dass der Holzeinschlag von Anfang an um die Hälfte reduziert wurde! Dennoch ist das Modell ökonomisch so erfolgreich, weil auch der Aufwand, beispielsweise für teure Pflanz- und Pflegemaßnahmen um 75 % zurückgefahren wurde. 

Wir diskutieren die Hauptunterschiede zur Arbeitsgemeinschaft naturgemäßer Waldwirtschaft und zum rheinland- pfälzischen Q/D Modell. In ANW Betrieben wird der Vorrat oft sehr gering gehalten um ständige Naturverjüngung auf ganzer Fläche zu gewährleisten. Ausserdem wird sehr häufig in jedem Bestand gearbeitet, um die gewünschte vertikale Struktur aufrecht zu halten. Damit wird eine Phase imitiert, die es zwar im Naturwald gibt, die aber keinesfalls ständig und überall vorhanden ist. So werden zwar Naturwaldelemente integriert, aber oft auch gegen die natürliche Dynamik gearbeitet. 

Das Q/D Konzept fokussiert sehr stark auf die extreme Förderung weniger vitaler, qualitativ guter Auslesebäume. Nach Ansicht von Lutz werden die positiven Effekte auf diese Einzelbäume mit einer insgesamt geringeren, flächenbezogenen Leistung erkauft. So führen die starken Freistellungen zwar zu einem hohen Durchmesserwachstum, was sich dann aber auf eher kurze, astfreie Stammstücke konzentriert. Inzwischen weiß man, das Bäume auch in hohem Alter noch sehr hohe Zuwächse haben können, daher werden die gewünschten, hohen Zieldurchmesser in Lübeck durchaus erreicht, wenn auch später. 

Wichtigster Indikator für alle Modifikationen innerhalb des Modells ist die Entwicklung der unbewirtschafteten Referenzflächen, die jeweils mindestens 20 Hektar umfassen und insgesamt 10 % der Betriebsfläche abbilden. 

Gegen Mittag treffen dann Sabrina, Manuela und David ein, die für das NDR Magazin DAS einen Beitrag über mich drehen wollen. Zunächst werden Lutz und ich im intensiven Gespräch gefilmt, anschließend wird noch lange akribisch mit verschiedenen Einstellungen und Kameras mit mir gearbeitet. Gegen Abend wird das Wetter sehr schön, perfekt für die Drohnenarbeiten zum Abschluss. 

Erst gegen 18 Uhr sind wir wieder bei Lutz, mit dem ich dann noch in einen von Nadelbäumen dominierten Waldbereich fahre. Selbstverständlich wird auch der Lübecker Wald nicht von Stürmen und Borkenkäfern verschont, weshalb auch immer wieder Kahlflächen entstehen. Auf diesen gilt dann aber die eiserne Regel, das die Entwicklung erst einmal 10 Jahre lang ohne Eingriff beobachtet wird. In 80 % der Fälle sind danach keine Maßnahmen mehr notwendig, um die Entwicklung zum Mischwald zu fördern, auf dem Rest der Flächen werden dann punktuell Laubbäume eingebracht. Lutz räumt allerdings ein, dass er auf den riesigen, borkenkäferbedingten Kahlflächen der letzten Jahre schon eher gegebenfalls kleinflächig Laubbäume pflanzen würde. Bei guten Holzpreisen würde er auch einen Teil des Holzes ernten, aber immer sicher stellen, dass noch genügend Biomasse auf den Flächen verbleibt, die der Wiederbewaldung sehr förderlich ist. 

In einem älteren Douglasienbestand, der schon dicht mit Brombeere bewachsen ist, wird die Entwicklung zunächst nur beobachtet, der Bestand aber auch nicht weiter aufgelichtet. 

In einen jungen Fichtenbestand, der auf einer Sturmfläche entstanden ist, wurden punktuell Eichen eingebracht, die jetzt teilweise von den bedrängenden Fichen frei gestellt wurden. Auch solche Pflegemaßnahmen werden durchaus noch durchgeführt, wenn auch in geringem Umfang. 

Als es dunkel ist, fahren wir zurück und genießen ein leckeres Abendessen, das Gwen zubereitet hat, und unterhalten uns weiter intensiv. 

Anschließend verbringe ich eine weitere Nacht in der Hütte

Mein Übernachtungsplatz
Durchforstungen nur bis 35-40 Zentimeter Durchmesser
Viel starkes Holz dank konsequentem Vorratsaufbau
Mischwaldentwicklung
Dreharbeiten mit dem NDR- Magazin DAS
Mit Dr.Lutz Fähser im Gespräch
Es wird aus allen Perspektiven gefilmt
Das tolle Drehteam
Drohnenaufnahmen
Douglasie mit Brombeere- erst mal nichts tun!
Lücken in Fichtenjungbeständen werden mit Laubbäumen ausgepflanzt
Entwicklung nach Sturmwurf
Die gepflanzten Eichen wurden von bedrängenden Fichten freigestellt

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2 Gedanken zu „4.10.2021Tag 201 Mit Dr. Lutz Fähser und dem NDR im Lübecker Stadtwald

  • 5. Oktober 2021 um 9:39
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    Verschiedene naturnahe Bewirtschaftungsformen mal anschaulich erklärt danke!

    Antwort
    • 5. Oktober 2021 um 17:57
      Permalink

      Gern geschehen!

      Antwort

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