11.9.2021Tag 179 Weltnaturerbe Serrahn

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Früh am nächsten Morgen nehme ich eine Bewegung an einem Weg wahr und sehe zwei mächtige Damhirsche. Diese Hirschart stammt ursprünglich aus dem Nahen Osten, und wurde schon vor langer Zeit aus jagdlichen Gründen in verschiedenen Gegenden Deutschlands eingebürgert. In der Größe steht das Damwild zwischen Reh und Rothirsch, ihr Schaufelgeweih ähnelt aber ein wenig dem eines Elchs. 

Hier in der Nähe der Heiligen Hallen gibt es alte, großlächige Schirmschläge. Die wenigen verbliebenen Altbäume sehen wie so oft nach Freistellungen, in den Kronen sehr schlecht aus und sind teilweise abgestorben. Der Müritz Nationalpark ist nur wenige Kilometer entfernt, wäre es nicht möglich einen Korridor aus naturnah bewirtschaftetem Wald als verbindendes Glied zu bilden?

Trotz der frühen Stunde treffe ich einen Menschen, und wir unterhalten uns kurz. Es handelt sich um einen Jäger aus dem Harz, der hier mit einigen Freunden während einer Woche versucht, Damwild zu erlegen. 

Während er auf seinem Morgenansitz nichts gesehen hat, kreuzt vor mir bald ein Rudel Damwild den Weg. Ein weiterer Jäger, den ich dann bald passiere, hat die Tiere nicht gesehen, obwohl sie ganz in seiner Nähe über den Weg gewechselt sind…

Über eine Tafel erfahre ich, dass hier der Naturparkweg verläuft, der auf einer Strecke von 1000 Kilometern sämtliche Naturparks Mecklenburg- Vorpommerns miteinander verbindet, und überwiegend auf Pfaden und Sandwegen verläuft. Das hört sich interessant an!

Auf der Grenze zum Müritz Nationalpark laufe ich nach Grünow. 

Dieser Nationalpark wurde bereits 1990 gegründet und hat die beeindruckende Fläche von 33.200 Hektar, mehr als der Bayerische Wald!

Dabei gibt es eine große Teilfläche und den kleinen, 6500 Hektar großen Serrahner Teil in dem ich mich heute bewege. Dessen Fläche allein ist schon größer, als die manch anderer Nationalpark in Deutschland!

85 % der Fläche des Nationalparks werden inzwischen als Wildnisgebiet behandelt, in dem keine Eingriffe mehr statt finden. Im Wald fällt zunächst vor allem auf, dass er dichter und dunkler geworden ist. Überall sind Buchen unter den Kiefern. Da der deutsche Wald mit knapp 80 Jahren im Schnitt sehr jung ist, ist das eine typische Entwicklung von Wäldern die aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden. Mehr Totholz und Strukturvielfalt auf kleiner Fläche stellt sich oft erst nach vielen Jahrzehnten ein. 

Grünow ist der einzige Ort, den ich heute passiere. Zwei ältere Frauen die einen Waldspaziergang mit Kinderwagen unternehmen, sprechen mich an, und ich nutze mal wieder die Gelegenheit von meinem Projekt zu erzählen. 

Am Jugendwaldheim Steinmühle, einer Einrichtung des Nationalparks, treffe ich etliche Kinder. Weiter führt mein Weg entlang des Mühlenteichs, der eigentlich ein See ist. Tafeln erklären, wann eine Buche umgefallen ist, und dementsprechend sieht man wie schnell die Zersetzung voran schreitet. Von einem Anfang der 90’ er Jahre umgefallenem Stamm ist kaum noch etwas zu sehen!

Ein Seeadler fliegt auf einem Uferbaum auf. Als ich ein Stück weiter gehe, höre ich ein Rauschen, und kleine Äste purzeln herab. Der mächtige Adler ist tatsächlich erst abgeflogen, als ich direkt unter dem Baum ankomme, in dessen Krone er sich nieder gelassen hatte!

Immer wieder passiere ich Feuchtbereiche mit abgestorbenen Bäumen, entweder das Werk von Bibern oder von Wiedervernässungsmaßnahmen. 

Schließlich wird es spannend, als ich in den 268 Hektar großen Waldteil gelange, der wie vier andere deutsche Wälder in das UNESCO- Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ aufgenommen wurde. Teile der Fläche sind seit 150 Jahren unbewirtschaftet. Ebenso wie in den Heiligen Hallen hatte Großherzog Georg ein großes Herz für den Wald und sorgte als Kind der Romatik für seinen Schutz, natürlich auch, wie es damals so war, aus jagdlichen Gründen. 

Der Wald ähnelt den Heiligen Hallen, ist aber im Schnitt noch etwas jünger und dichter. Nichts desto trotz gibt es bereits die typische Lückendynamik und sehr viel Totholz. Im Gegensatz zu den Heiligen Hallen kommen hier auch viele, oft sehr imposante Eichen vor. Eine ganze Reihe davon ist allerdings schon abgestorben. Auffällig ist, dass es auch in größeren Lücken kaum junge Bäume gibt, und es dafür aber ziemlich viele Wildspuren gibt. Zwar halte ich es für sinnvoll, den Wildeinfluss auf die Baumverjüngung mit kleinen Weisergattern zu beobachten, aber besorgniserregend finde ich die Situation hier keineswegs. Im Gegenteil, besonntes Totholz ist für viele Insekten sehr wichtig, daher ist es aus Naturschutzsicht durchaus positiv, wenn Lücken vom Wild eine Zeit lang offen gehalten werden und nicht gleich wieder zuwachsen. Die Natur hat viel Zeit und irgendwann wird jede Fläche bei uns wieder Wald. Interessant finde ich, welche Rolle die wieder an vielen Orten vertretenen Wölfe in diesem Zusammenhang spielen. Wie ich ja anhand der Rechnung im Biosphärenreservat Schorfheide- Chorin erfahren hatte, ist ihr Einfluss auf die Zahl der Beutetiere eher klein. Ein anderer Faktor ist aber wahrscheinlich für die Waldverjüngung viel wichtiger: Wölfe gehen dorthin, wo es viel zu erjagendes, größeres Wild gibt. Dies versucht den Wölfen dann natürlich auszuweichen und so entstehen immer wieder Bereiche, in denen es kaum Wild gibt und der Wald gut nachwachsen kann. 

Wie geht es mit der Eiche hier weiter? Schwer zu sagen, zumindest in der Verjüngung sehe ich keine jungen Eichen. Allerdings sind diese ja im Schnitt viel langlebiger als die Buchen und daher ist es wahrscheinlich, dass es irgendwann doch der einen oder anderen jungen Eiche gelingt hochzuwachsen. Wie ich schon an vielen Stellen gesehen habe, machen sich Buchen und Eichen dann als Altbäume keine Konkurrenz mehr. 

Das Gebiet ist hügelig und abwechslungsreich. Als ich mich eine Zeit lang auf einer kleinen Erhebung niederlasse, beobachte ich in der Nähe ein Rudel Damwild, dass sich teilweise auch zum Ruhen nieder lässt. 

Obwohl die Heiligen Hallen in ihrem derzeitigen Status vielleicht sogar naturschutzfachlich wertvoller sind, wurden sie auf Grund ihrer geringen Flächengröße ebenso wie der Faule Ort nicht in das Naturerbe mit aufgenommen. 

In dem nur aus zwei Wohnhäusern bestehendem Ort Serrahn gibt es eine interessante Ausstellung des Nationalparks zum Thema Buchenwald. Deutschland im Kern seiner Verbreitung hat einen Flächenanteil von 25 % der noch verbliebenen Rotbuchenwälder. Dabei hat die Buche nur einen Anteil von 15 % an der deutschen Waldfläche, obwohl sie einst die absolut dominierende Baumart war. Manche Buchengesellschaften, wie die des Tieflands hier in Ostdeutschland, sind sogar weltweit einzigartig!

Nachdem ich Handy und Powerbank etwas geladen habe, laufe ich weiter durch große Kiefernbestände im Nationalpark, unter denen aber überall junge Eichen wachsen. Um die Zukunft dieser Baumart braucht man sich hier sicher keine Sorgen machen!

Unmittelbar an der Grenze gelange ich durch ein frisches Holzeinschlaggebiet, mit Rückegassen im üblichen 20- Meter Netz. Es ist kaum zu überschätzen, welche Wirkungen langfristig von einer so starken Befahrung ausgehen. Umso wichtiger sind Flächen, wie im Nationalpark, auf denen gar keine Maschinen fahren!

In Neustrelitz kaufe ich ein und lasse mich in einem nahe gelegenen Waldstück nieder. Als es überraschend zu regnen beginnt, muss ich dann rasch meine Plane aufspannen….

Schirmschlag sollte der Vergangenheit angehören!
Buchen brauchen Nachbarn!
Unbewirtschaftete Wälder werden zunächst dichter
1000 Kilometer!
Allee bei Grünow
Nette Begegnung
Dichte, noch recht junge Wälder
Wiedervernässt
2006 umgefallen
Nach 30 Jahren ist die Buche weitgehend zersetzt
Mühlenteich
Weltnaturerbe Serrahn
Viel Totholz
Pilzreichtum
Besonnte Lücken sind wichtig!
Es gibt auch imposante Eichen hier
Gigant
Das ist kein Urwald!
Hügelige Landschaft
An Eichen leben viele Organismen
Sich verfärbende Eichenblätter
Käfer sind ins Holz eingedrungen
Vielfältige Lebensräume
Bäume allen Alters und aller Größen
Markante Eiche
Wow!
Die Schönheit des Buchenwaldes
Informationen des Nationalparks
Serrahn
Großflächig Eiche unter Kiefer
Schöne Sandwege
Industrieller Holzeinschlag mit Rückegassen im 20 Meter Abstand an der Nationalparkgrenze

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